[Rezension] Stephan Schulmeister - Der Weg zur Prosperität - Der Euro und die EU 2022-09-17

Stephan Schulmeister ist ein Ökonom aus Österreich, der jedoch wenig mit der sogenannten österreichischen Schule also den wirtschaftsliberalen Ökonom gemein hat. Der am 26. August 1947 geborene Ökonom war von 1972 bis 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) für Prognosen, Wirtschaftsentwicklung, Finanzmärkte und internationaler Handel. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf den Interessenskonflikten zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern aus der Realwirtschaft und den Finanzmärkten oder Finanzkapital.
Nach Schulmeister schwankt die wirtschaftliche Ordnung in ihrer Ausrichtung dauerhaft zwischen Realkapitalismus und Finanzkapitalismus schwankt. Hierbei werden lange Aufschwünge durch ein Interessenbündnis zwischen Arbeitnehmern und Realkapital getragen und lange Abschwünge durch ein Interessenbündnis zwischen Realkapital und den Finanzmärkten oder Finanzkapital verursacht.

Mit seinem neuen Buch "Der Weg zur Prosperität" beweist er wie sehr Schulmeister sich darauf konzentriert und wie gut er dabei ist. Das Buch erklärt umfassend die Grundlagen seiner Seite wie zum Beispiel Keynes oder Smith sowie die Grundlagen der anderen Seite wie zum Beispiel Hayek oder Friedman.
Hierbei ist das Buch eine Anklage- und Streitschrift gegen die andere Seite wie zum Beispiel Hayek oder Friedman. Schulmeister hat aber nicht nur Abneigung für die andere Seite übrig, sondern bewundert sie auch dafür wie gut schnell und viele Ziele sie umgesetzt haben.
  1. Die Architektur einer Währungsunion
  2. Die Architektur der Eurozone
  3. Die sogenannte Eurokrise und die Rolle Deutschlands
  4. Die Lösung nach Schulmeister

The Architecture of a Currency-Union

Ein besonderen Stellenwert haben bei Schulmeister und in der derzeitigen Wirtschaftsordnung die Konzepte eines Währungssystems und einer Währungsunion. Das Bretton-Woods-System zum Beispiel sah vor dass sich die Wechselkurse umgekehrt zu den Außenhandelsbilanzen verändern. Außenhandelsungleichgewichte wurden so automatisch entgegengewirkt. Deshalb und weil so Währungsspekulationen entgegengewirkt wird sind die Gründe warum das Bretton-Woods-System von Schulmeister auch gelobt wird. [1,p.252-269]

Eine Währungsunion dagegen ist wesentlich starrer da hierbei Wechselkurse und individuelle Leitzinsen völlig abgeschafft werden. Wenn sich also die Lohnentwicklung und infolge dessen auch die Preisentwicklung zu stark unterscheidet kommt es zu Außenhandelsungleichgewichten. In Staaten oder Regionen mit Importüberschüssen oder Exportdefiziten verliert die hiesige Wirtschaft gegenüber Importen und verursachen so Arbeitslosigkeit. Und in Staaten oder Regionen mit Importdefiziten oder Exportüberschüssen arbeitet die hiesige Wirtschaft auf Rechnung ohne Garantie die Forderungen auch wirklich ausgezahlt zu bekommen. Dazu kommt dass ein einheitlicher Leitzins nicht notwendigerweise der wirtschaftlichen Entwicklung aller Regionen oder Mitgliedsstaaten gerecht wird. In Staaten werden diese Ungleichgewichte in der Regel mit einem Finanzausgleich entschärft.

Die Architektur der Eurozone

Nach Schulmeister beförderten das Ende fester Wechselkurse und die Inflation nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems den Euro. Der Euro wurde somit zur Alternative zum Bretton-Woods-System. Schulmeister beschreibt wie jedoch bereits mit der Einführung ein wesentlicher Konflikt geschaffen wurde. Einerseits ist die Euro-Währungsunion für Schulmeister ein anti-neoliberalen Projekt weil es Spekulation mit Wechselkursschwankungen verhindert. Andererseits verfügt die Euro-Währungsunion für Schulmeister über ein neoliberales Regelwerk. In der Euro-Währungsunion ist lediglich der Sektor Staat Defizitregeln unterworfen. Folglich können die übrigen Sektoren durch ihr Ausgabeverhalten den Staat diesen Defizitregeln ausliefern und zum Abbau von Leistungen speziell von Sozialleistungen zwingen. [1,p.255-256]

Schulmeister kritisiert oft und sehr den Europäischen Fiskalpakt für dessen Einfluss auf die Mitgliedsstaaten. Der Europäische Fiskalpakt basiert auf dem Vertrag von Maastricht bzw. den EU-Konvergenzkriterien und macht Vorgaben zu den Staatsfinanzen. Die beiden wesentlichen Regeln sind die Begrenzung der Staatsschulden im Verhältnis zum BIP auf 60% und die Begrenzung der jährlichen Neuverschuldung des Staates auf 3%. Der Europäische Fiskalpakt wurde mit dem "Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion" am 2. März 2012 ratifiziert. Er gilt für alle Mitgliedstaaten des Euros und insgesamt für 25 Mitgliedstaaten der EU jedoch nicht für Großbritannien und Tschechien. [1,p.210-241]

Dazu kommt ein ganz besonderer Umgang mit der Preis- und Lohnentwicklung in der Eurozone. Es gibt zwar ein Inflationsziel von 1,9%, dieses darf jedoch unterschritten werden. So können einzelne Mitgliedsstaaten eine Politik der Lohnzurückhaltung einführen und damit Außenhandelsungleichgewichte zu Lasten anderer Mitgliedsstaaten verursachen. Des Weiteren rechnen die Institutionen der EU mit der die den Lohnanstieg nicht beschleunigenden Arbeitslosenquote (NAWRU/Non-Accelerating Wage Inflation Rate of Unemployment). In der Realität bedeutet dies dass die Institutionen der EU zweistellige Arbeitslosenquoten als normal erachten. Damit sind die Architektur der Eurozone zusammen mit dem Europäischen Fiskalpakt nach Schulmeister die Antithese zur realkapitalistischen und nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik nach Keynes. [1,p.210-241]

Die sogenannte Eurokrise und die Rolle Deutschlands

Schulmeister gehört zu jenen für welche sich die Eurozone seit der Finanzkrise von 2008 in der Rezession befindet. In der Finanzkrise von 2008 sieht er einen wesentlichen Grund für die Dauer der Rezession der Eurozone. Außerdem kritisiert er in diesem Zuge die Umdeutung der Finanzkrise von 2008 zur Eurokrise und die Umdeutung der Eurokrise zur Staatsschuldenkrise. Die Dauer der Eurokrise liegt nach Schulmeister nicht am Euro sondern an seiner neoliberal-finanzkapitalistische Architektur. Und diese forciert eine mangelnde Nachfrage durch die Austeritätspolitik, ein bleiben der Rezession durch mangelnde Nachfrage und begrenzt die Handlungsmöglichkeiten durch des Staates durch den Fiskalpakt. [1,p.256-262]

Als zusätzlichen Grund für die Rezession der Eurozone sieht Schulmeister die Außenhandelsungleichgewichte innerhalb der Eurozone. Auf der einen Seit verortet er die Mietgliedstaaten mit Importüberschüssen die sich hauptsächlich im Süden befinden und die Mietgliedstaaten mit Exportüberschüssen. Letzteres ist hauptsächlich Deutschland dass dies nach Schulmeister durch die Politik der Lohnzurückhaltung durch Kürzung der Sozialleistungen und Verringerung der Arbeitnehmerrechte und die Abschaffung von Wechselkursen durch die Einführung des Euros erreicht hat. Die Importüberschüsse des Südens führten zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland. Die Konsequenzen für Deutschland sind Erwerbsarmut und offene Forderungen die nicht notwendiger weise beglichen werden können und bei einer Währungsreform entwertet werden könnten. Und die Konsequenzen für die Defizitländer sind ihre Rezession durch mangelnde Nachfrage der hiesigen Volkswirtschaften und offene Verbindlichkeiten. [1,p.228-229,232-241,259]

Hinzu kommt nach Schulmeister eine Meinungsmache welche die Verhältnisse verschleiert. Griechenland zum Beispiel ist nach der medialen Berichterstattung ein hoffnungsloser Fall, weil die Sparmaßnahmen anderswo doch funktionierten. Dies stimmt aber nicht. Die Staatsausgaben sind zwischen 2008 und 2016 in Griechenland um 30,0% gesunken, in Portugal um 2,8%, in Spanien um 2,8% und in Italien um 6,2% gestiegen. Und die Sozialtransfers sind zwischen 2008 und 2014 in Griechenland um 9,6% gesunken, in Portugal um 21,5%, in Spanien um 26,9% und in Italien um 21,7% gestiegen. [1,p.224-228,228-231]

Die Lösung nach Schulmeister

Schulmeister trennt sich jedoch klar von vielen Kritikern des Euros ab. Nach Schulmeister haben die Eurokritiker wie Heiner Flassbeck, Wolfgang Streeck oder Oskar Lafontaine und andere die er auch "Eurofighter" nennt unrecht. Der Euro sei deswegen gut weil er Währungsspekulationen verhindere und eine Auflösung des Euros führe zu Abwertungsspirale und folglich zu einem Währungskrieg in Europa. Schulmeister ist hierbei jedoch widersprüchlich da er bereits das Währungssystem Bretton-Woods-System als gut und richtig gelobt hat, dann jedoch die Währungsunion Euro trotzdem als notwendig bewertet. Bretton-Woods-System hat also nach Schulmeister funktioniert, ist aber vermeintlich nicht mehr möglich oder genug. [1,p.252-269,253,263,259-260]

Als Lösung schlägt Schulmeister unter anderem ein gemeinsames Finanzministerium und eine gemeinsame Sozialversicherung für die Eurozone vor. Des weiteren plädiert Schulmeister auch für eine Reform des Fiskalpakts, eine Änderung der Kriterien und Grenzwerte sowie für einen europäischen Währungsfonds. Dieser soll als Möglichkeit zur Refinanzierung von Staaten bieten nachdem die Währungsunionen dies den eigenen Zentralbanken verboten hat. [1,p.252-269,325,410(9)]

Es fällt jedoch auf dass bei Schulmeister nur die vermeintlich richtigen Personen regieren müssen. Eine Begrenzung oder Kontrolle der Befugnisse und der Kompetenzen der EU kommen bei Schulmeister nicht vor. Und eine Stärkung der Souveränität der Mitgliedsstaaten kommt bei Schulmeister ebenfalls nicht vor. Mit den von Schulmeister skizzierten Lösungsvorschlägen wären die Probleme also nur zeitweise gelöst. Sobald die politischen Verhältnisse sich entsprechend ändert könnten die gleichen Verhältnisse erneut forciert werden.

[1] Stephan Schulmeisters Buch - Der Weg zur Prosperität- ISBN 978-3711001481
[2] Welche Aufgaben kommen für die Sozialdemokratie? Schulmeister und Max Lercher 2018-05-07
https://youtu.be/iJzheZwCtV0
[3] Der Weg zur Prosperität Stephan Schulmeister Buchvorstellung WU in Wien 2018-06-08
https://youtu.be/_s2SJIKk204
[4] Stephan Schulmeister - Europas Weg in die Krise und zurück zur Prosperität 2018-06-22
https://youtu.be/cKy4Y5Zk8ig
[5] „Wir sind in gefährlicher Nähe zu den 1930er-Jahren.“ Stephan Schulmeister im Gespräch 2018-06-18
https://youtu.be/tL0kaHQTByA
[6] Märkte als Religionsersatz? | Stephan Schulmeister bei quer.denken. 2019-02-07
https://youtu.be/EUCGzOkfBtc ##

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