[Rezension] Hertle - Chronik des Mauerfalls, Schabowskis Zettel

Bis zur Veröffentlichung der Reiseregelung durch Günter Schabowski und dem Ansturm unzähliger Bürger auf die Grenzübergänge in Berlin am 9. November 1989 und der formalen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 war Deutschland geteilt. Diese Teilung begann mit der Ausrufung der Bundesrepublik Deutschland (West-Deutschland) am 23. Mai 1949 und der darauf folgenden Ausrufung der Deutschen Demokratischen Republik (Ost-Deutschland) am 7. Oktober 1949. Deutschland wurde damit und wegen West-Berlins als Enklave im sozialistischen Block zur Aufmarschgebiet im kalten Krieg. Im Zuge der Teilung wuchs die Spannung zunehmend an, anfangs mit der Gründung der NATO am 4. April 1949 und der darauf folgenden Gründung des Warschauer Pakts am 14. Mai 1955. Und noch vor dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961, begann die Einrichtung einer 5 Kilometer breiten Sperrzone entlang deutsch-deutschen Grenze und der Zwangsumsiedlung von mehr als 12.000 Menschen am 26. und 27. May 1952.

Die "Chronik des Mauerfalls" von Hans-Hermann Hertle beschreibt wie es zur Wende kam und sehr detailliert wie sie abgelaufen ist. Das Buch erschien erstmals in 1996 und ist derzeit nur in Deutsch erhältlich. Hertle ist am 29. Juni 1955 geboren und Seit 1999 ist Hertle wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. In Zusmmenarbeit mit Hertle ist auch ein digitales Archiv über die Geschichte des geteilten Deutschlands und des Mauerfalls entstanden.
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Am Abend des 9. November 1989 trat Günter Schabowski als de facto Regierungssprecher vor die Presse. Er verkündete dort die "zeitweilige Übergangsregelung für die ständige Ausreise".

Der beiliegende Beschluß zur zeitweiligen Übergangsregelung für reisen und ständige Ausreise aus der DDR wird bestätigt.

Beschlußvorschlag

Zur Veränderung der Situation der ständigen Ausreise von DDR-Bürgern nach der BRD über die CSSR wird festgelegt:
  1. Die Verordnung vom 30. November 1988 über Reisen von Bürgern der DDR in das Ausland (GBl. I Nr. 25 S. 271) findet bis zur Inkraftsetzung des neuen Reisegesetzes keine Anwendung mehr.
  2. Ab sofort treten folgende zeitweilige Übergangsregelungen für Reisen und ständige Ausreisen aus der DDR in das Ausland in Kraft:
    1. Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt.
    2. Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der VPKÄ in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne daß dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. Die Antragstellung auf ständige Ausreise ist wie bisher auch bei den Abteilungen Innere Angelegenheiten möglich.
    3. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen.
    4. Damit entfällt die vorübergehend ermöglichte Erteilung von entsprechenden Genehmigungen in Auslandsvertretungen der DDR bzw. die ständige Ausreise mit dem Personalausweis der DDR über Drittstaaten.
  3. Über die zeitweiligen Übergangsregelungen ist die beigefügte Pressemitteilung am 10. November 1989 zu veröffentlichen.


Doch um 18:53 Uhr fragte der Chefkorrespondent der italienischen Nachrichtenagentur ANSA Riccardo Ehrman nach Details zun Reisegesetz. Günter Schabowski reagierte mindestens überrascht. Mit seiner Antwort löste er den Ansturm auf der noch am gleichen Abend die Grenze zu Fall brachte.

Ehrmans Frage war kein Zufall. Wie er 20 Jahre später und entgegen früherer Äußerungen selbst offenbarte, habe ihn Günter Pötschke kurz vor der Pressekonferenz aufgefordert die Frage zu stellen. Die Frage sie laut Pötschke sehr, sehr wichtig. Pötschke war Generaldirektor der Ostdeutschen Nachrichtenagentur ADN und ZK-Mitglied.

Schabowski wies immer zurück an dieser Absprache beteiligt gewesen zu sein. Doch als Ehrman seine Frage stellte war die Pressekonferenz fast vorbei und er wies die die Frage eines anderen Journalisten zugunsten Ehrmans zurück.

Nur drei Stunden später und noch am gleichen Abend liefen Tausende von Berlinern zu den Grenzübergängen der geteilten Stadt. Wegen des Ansturms der Berliner standen nach sechs Stunden alle Grenzübergänge der geteilten Stadt offen. Am Ende tanzten die Berliner auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor.

Günter Pötschke verstarb am 11. September 2006. Riccardo Ehrman erhielt am 29. Oktober 2008 für sein Mitwirken an der Wiedervereinigung das Bundesverdienstkreuz am Bande.
[1,S.7ff,140ff,148ff]



[1] Hans-Hermann Hertle - Chronik des Mauerfalls - ISBN 978-3-86153-541-6
[2] http://zzf-potsdam.de/site/390/default.aspx
[3] http://www.chronik-der-mauer.de/en/
[4] https://www.w3schools.com/HTML/html_lists.asp

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