[Dossier] ARD Framing Handbuch

Stichwörter:
Fake News , Meinungsmache

In 2017 erstellte Elisabeth Wehling im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Senders ARD in Deutschland ein vierteiliges Framing-Manual. Dieses Framing-Manual gibt Anweisungen wie der öffentlich-rechtlichen Rundfunk positiv dargestellt werden kann. Framing kommt aus der Kommunikationswissenschaft und beschreibt wie Aussagen in einen Kontext eingebettet werden können um bestimmte Assoziationen hervorzurufen. [1] [2] [3] [4] [5]
  1. Teil 1 Unser Rundfunk ARD (Legitimation) [1,p.23]
  2. Teil 2 Freiheit (Unabhängigkeit) [1,p.43]
  3. Teil 3 Beteiligung (Beitragsakzeptanz) [1,p.51]
  4. Teil 4 Zuverlässigkeit (Reform & Zukunft) [1,p.64]
[1,p.6] Im Februar 2019 wurde das Framing-Manual von Elisabeth Wehling durch Netzpolitik.org veröffentlicht. Das Handbuch dient jedoch nicht dazu die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu besseren Journalisten zu machen. Das Handbuch dient dazu die Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besser besser zu verteidigen und die Berichterstattung wirkungsmächtiger zu verkaufen. Außerdem bestätigt das Handbuch die Vorwürfe dass mit intern vereinbarten Neusprech und Sprachregeln argumentiert wird anstatt mit Fakten und Sachlichkeit. [1] [2] [3] [4] [5]

[1] Öffentlichkeit - Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD 2019-02-17
https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/
https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf
[2] Elisabeth Wehling zu Gast bei ORF Zeit Im Raum 2016-03-03
https://youtu.be/xc7gZ_c65HU
[3] Elisabeth Wehling: Politisches Framing - Wie Deutschland sich politische Wahrheiten einredet 2016-03-04
https://youtu.be/r8Radhef5eI
[4] re:publica 2017 – Elisabeth Wehling: Die Macht der Sprachbilder – Politisches Framing 2017-12-07
https://youtu.be/mrFtMGLPosc
[5] re:publica 2017 – Elisabeth Wehling: Die Macht der Sprachbilder – Politisches Framing ... 2017-05-11
https://youtu.be/3tuaXaXJ02g
  1. Das Handbuch
    1. Framing
    2. Rechtfertigung
    3. Die Zwangsgebühr
    4. Haltungsjournalismus

Das Handbuch

Framing

Framing ist ein Vorgang aus der Kommunikation und beschreibt wie Aussagen in einen Kontext eingebettet werden können. Hierbei können dann Assoziationen mit bestimmten Themen, Qualitäten oder moralischen Dimensionen hervorgerufen werden. Eine Ausnahme sind rein mathematische oder naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Worte und Aussagen mit gleichem Inhalt können in der Regel mit verschiedenen Ausdrucksweisen ausgesagt werden. Daher findet in der Regel unweigerlich ein Framing statt.
Begeben wir uns auf die nächste Ebene – von moralischen Anliegen zur Sprache. Sprache ist das wirkvollste Instrument für die Mobilisierung von Mitbürgern, aufgrund einer einfachen Wahrheit: Sprache aktiviert Frames.

Jedes einzelne Wort aktiviert einen Frame im Kopf des Rezipienten. Das trifft zu für alle Sprache. Das Wort „Salz“ etwa aktiviert einen Frame, der automatisch auch Konzepte wie Essen und Geschmack, und sogar Durst, impliziert. Der Grund liegt darin, dass das Gehirn auf seine Welterfahrung zurückgreift, um einzelnen Lexemen eine Bedeutung zu geben. Was auch immer das Gehirn an konkreter Erfahrung zu „Salz“ abgespeichert hat, aktiviert es, um die Semantik des Wortes zu erfassen. Das umfasst sogar das Simulieren von Geschmack. [1,p.10]
Das Handbuch dient jedoch nicht dazu die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu besseren Journalisten zu machen. Hiervon ist im gesamten Handbuch niemals die Rede. Im gesamten Handbuch wird auch niemals über die Aufgabe der Presse oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschrieben.
Wann immer Sie sich mit solchen sprachlichen Angriffen konfrontiert sehen, dürfen Sie Eines nicht tun: Die Begriffe der Angreifer in jedweder Form aufgreifen, und sei es in Form von Negierungen. Sagen Sie nicht, Sie fänden den Begriff „Lügenpresse“ unangebracht. Sagen Sie nicht, der Vorwurf, die ARD sei „Steigbügel der Politik“ sei ungerechtfertigt. Sprechen Sie auch nicht von der „sogenannten“ Lügenpresse oder nutzen Anführungszeichen, um sich rhetorisch von einem Konzept zu distanzieren, wie etwa: „Lügenpresse“. In jedem dieser Fälle propagieren Sie den moralischen Angriff Ihrer Gegner. Denn Frames zu negieren bedeutet, sie zu aktivieren. [1,p.16]
Das Handbuch gibt primär Anweisungen wie die Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besser besser verteidigt werden können. Außerdem gibt das Handbuch Anweisungen wie die Berichterstattung mit moralischen Assoziationen beziehungsweise mit Framing wirkungsmächtiger zu verkauft werden kann. Hierfür scheut Wehling auch nicht davor zurück auf Erfolg durch Wiederholung zu setzen. Damit sind Wehlings Anweisungen schon bedenklich nahe an Propaganda. [1,p.17]
Wir nehmen es nicht wahr und wir können es auch nicht beeinflussen. Aber es hat zentrale Konsequenzen für Ihre Kommunikation: Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner, und nutzen Sie diejenigen Frames, die Ihre moralische Perspektive auf die Sachverhalte deutlich machen, immer und immer wieder – von Interview zu Interview, von Debatte zu Debatte, von Schriftsatz zu Schriftsatz. Nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative werden zu lassen. [1,p.17]
Und nicht zuletzt wegen diesem Verhalten wird regelmäßig Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk geübt. Reformen werden jedoch als illegitim oder unangemessen dargestellt, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk für für folgenden Generationen erhalten werden soll und da der öffentliche-rechtliche Rundfunk Teil der medialen Infrastruktur sei. Damit wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch zum Selbstzweck. [1,p.66ff]
Alles Andere wäre eine Vernachlässigung unserer medialen Infrastruktur und würde damit langfristig zu ihrem Verfall führen.
... [1,p.67]

Sprechen Sie also nicht von Reform, sprechen Sie von der Verantwortung, die mediale Infrastruktur stets so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Bürger gerecht wird.
... [1,p.69]

Sprechen Sie dabei nicht von den „Aufgaben“ oder dem „Auftrag“ der ARD, sondern von der „Verantwortung“ jener, die das gemeinsame Rundfunkkapital verwalten und für die gemeinsame, freie mediale Infrastruktur ARD einsetzen.
... [1,p.69]
Um Reformen am öffentlich-rechtlichen Rundfunk als illegitim oder unangemessen darzustellen werden diverse Enpfehlungen gegeben. Kritiker der Größe des öffentlichen Rundfunks sollen dargestellt werden als ob diese Anderen etwas wegnehmen wollen. So wird der öffentliche Rundfunk als alternativlos dargestellt. [1,p.71ff]
Wer die ARD „verkleinern“ möchte, der stellt das Recht der Bürger an einer umfassenden und gründlichen Rundfunkversorgung infrage.
... [1,p.72]

Wer die ARD „schrumpfen“ will, ist bereit, es zugunsten von Kommerzsendern und auf Kosten der Bürger zu einer medialen Teilversorgung kommen zu lassen. Er ist bereit, den Bürgern den freien Zugang zu einer vollständigen und alle Lebensbereiche umfassenden Rundfunkinfrastruktur schrittweises zu entziehen. Er ist bereit, ganz erhebliche Teile unseres über den gemeinsamen Rundfunk organisierten deutschen Films und der deutschen Kultur ausdörren zu lassen und Raum zu schaffen für den profitablen Zugriff auf unser Bedürfnis nach Information, Bildung und Unterhaltung durch internationale Konzerne und alles, was sich billig produzieren und teuer verkaufen lässt. [1,p.73]

Wenn Sie Ihren Mitbürgern die Aufgaben und Ziele der ARD begreifbar machen und sie gegen die orchestrierten Angriffe von Gegnern verteidigen wollen, dann sollte Ihre Kommunikation nicht in Form reiner Faktenargumente daherkommen, sondern immer auf moralische Frames aufgebaut sein, die jenen Fakten, die Sie als wichtig erachten, Dringlichkeit verleihen und sie aus Ihrer Sicht – nicht jener der Gegner – interpretieren. [1,p.77]
Die Presse und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben die Aufgabe aufzuklären und das Handeln der Politik zu überprüfen. Die Presse sollte neutral sein aber nicht abgehoben. Die Presse sollte sich den Dingen unvoreingenommen annehmen und sich nicht an eine Sache binden.
Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören. [2]

That I learned during my five years at the BBC in London: Keeping a distance, not to ally with one thing, not even with a good one, not to sink into affliction in public, stay cool in dealing with disasters without being cold. That's the only way you can get viewers to trust you, to make you a family member, so they look at you at every night and listen to you.
So lautet eine Arbeitsweise die dem deutschem Journalisten Hanns Joachim Friedrichs zugeschrieben wird. Ob er dessen Urheber ist und ob Friedrichs ihr immer gerecht geworden ist soll hier nicht das Thema sein. Die Idee aber ist unerlässlich, denn was die vermeintlich gute Sache ist kann sich ändern. Und dann wird schnell im Namen des Guten etwas Falsches gemacht. Jeder der noch eine kommunistischen oder sozialistischen Regierung erlebt hat oder Verwandte aus dieser Zeit hat kennt solche Geschichten.
SZ: Auf dem Briefkopf Ihres ARD-Papiers steht: Berkeley International Framing Instititute. Unter einem Institut stellt man sich etwas mit Büros, Mitarbeitern, Rechnern und vielleicht Labor vor. Ist es das?

Elisabeth Wehling: Es ist eine Marke, unter der ich berate. [4]
Elisabeth Wehling hat aber auch Framing im eigenen Sinne und im eigenen Interesse betrieben. Wehling hat ihre Arbeit unter dem Namen "Berkeley International Framing Institute" angeboten. Ein Impressum, eine Anschrift, Kontaktdaten oder Mitarbeiter werden jedoch nicht genannt. Mit der Universität von Berkeley hat das "Berkeley International Framing Institute" jedoch nichts zu tun. Wehling sieht in dieser Art der Vorgehensweise jedoch kein Problem. [3] [4] [5]
Elisabeth Wehling: Ich weiß, derzeit kursieren viele verrückte Theorien. Aber alle meine Kunden wissen, das Berkeley International Framing Institute ist meine Marke, unter der ich Beratungen anbiete. Ein Institut mit Räumlichkeiten hat es nie gegeben und das wurde auch nie suggeriert – wie gesagt, es ist eine Marke.

ZEIT: Ich habe mit Menschen gesprochen, die Sie für Interviews oder Veranstaltungen angefragt haben. Manche dachten, ihr Institut sei in den USA angesiedelt, andere in Berlin oder Hamburg. Aber alle gingen davon aus, es sei ein Ableger der renommierten University of California.

Elisabeth Wehling: Ich weiß ja nicht, mit wem Sie gesprochen haben. Aber der Name lässt sich besser einordnen, wenn man die Entstehungsgeschichte kennt. Ich forsche seit zwölf Jahren an der Universität in Berkeley. Vor zwei Jahren haben vier Kollegen und ich gemerkt, dass es in Deutschland Bedarf gibt. Wir wollten Workshops zur Framing-Wissenschaft anbieten, alles stand schon, das Konzept, die Marke. Aber dann hatten die Kollegen weniger Interesse an der deutschen Debatte als ich. Also habe ich alleine weitergemacht. [5]


[1] Öffentlichkeit - Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD 2019-02-17
https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/
[2] Cool bleiben, nicht kalt 1995-03-27
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9176410.html
[3] ARD-"Framing Manual" - Elisabeth Wehling verteidigt sich 2019-02-23
https://www.sueddeutsche.de/medien/ard-framing-manual-elisabeth-wehling-berkely-international-framing-institute-1.4341625
[4] ARD-"Framing Manual" - "Ich habe noch nie einem Kunden vorgeschrieben, was er sagen soll" 2019-02-27
https://www.sueddeutsche.de/medien/elisabeth-wehling-framing-ard-linguistik-sprachwissenschaft-1.4346478
[5] Elisabeth Wehling : "Ich bin schockiert über die Vorwürfe" 2019-02-27
https://www.zeit.de/2019/10/elisabeth-wehling-linguistin-framing-manual-ard-sprache

Rechtfertigung

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht immer wieder wegen der eigenen Berichterstattung und dem Geschäftsmodell in der Kritik. Es stellt sich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk also die Frage wie dieser gerechtfertigt werden kann. Und die Rechtfertigung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ein expliziter Teil des Framing Handbuchs.
Beginnen wir direkt mit dem Wichtigsten: Wenn Sie Ihre Mitbürger dazu bringen wollen, den Mehrwert der ARD zu begreifen und sich hinter die Idee eines gemeinsamen, freien Rundfunks ARD zu stellen – auch und gerade in Zeiten, in denen Gegner der ARD deren Relevanz in Frage stellen und orchestrierte Kampagnen fahren, die die ARD in starken Bildern und Narrativen abwerten – dann muss Ihre Kommunikation immer in Form von moralischen Argumenten stattfinden. In Form von Argumenten also, die eine moralische Dringlichkeit kommunizieren und eine Antwort auf die Frage geben: Wieso ist die ARD gut – nicht schlecht, wie Ihre Gegner es halten; und wieso ist es wichtig und richtig, die ARD in ihrer Form zu erhalten – nicht überflüssig und falsch, wie Ihre Gegner es propagieren.

Das bedeutet, dass die Worte, Slogans und Narrativen, die Sie verwenden, ein primäres Ziel haben müssen: das Ziel, bei der Diskussion von Fakten rund um die ARD und Themen wie „Beitragszahlungen“ oder „Strukturreform“ immer zunächst ihre moralische Perspektive sprachlich offenzulegen. Denken und sprechen Sie nicht primär in Form von Faktenlisten und einzelnen Details. Denken und sprechen Sie zunächst immer über die moralischen Prämissen. [1,p.3]
Anstatt jedoch einen Auftrag für die Presse und auch den öffentlich-rechtliche Rundfunk zu definieren gibt das Handbuch Anweisungen wie Kritik gekontert werden kann. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll durch moralisch gerechtfertigt werden. [1,p.5/6]
Sofort weiß der Mitbürger, mit welchem Moralverständnis er es bei Ihnen – und im Gegensatz dazu bei Ihren Gegnern – zu tun hat. Das ist, kurz gesagt, moralisches Framing. Auf dieser Ebene generieren Botschaften, so zeigt es die empirische Forschung, die größte Überzeugungskraft.

Hat man einmal die moralischen Prämissen der eigenen Haltungen und Ziele (wie etwa den Erhalt eines gemeinsamen, freien Rundfunks ARD) durchdrungen, gilt es, diese im nächsten Schritt in Worte zu fassen und dauerhaft eine Sprache zu verwenden, die im Denken der Mitbürger kräftig wirkt und sie von der Notwendigkeit eines gemeinsamen, freien Rundfunks ARD überzeugt. Zum einen bietet das vorliegende Manual dafür konkrete Hinweise in Form von Narrativen, Schlagwörtern und Slogans zu den vier Themenbereichen Unser Rundfunk ARD (Legitimation), Freiheit (Unabhängigkeit), Beteiligung (Beitragsakzeptanz) und Zuverlässigkeit (Reform & Zukunft). Zum anderen verfügt es über eine Einleitung, die die empirischen Grundlagen der Framing­Methode umreißt, als auch über Hinweise zur optimalen sprachlichen Umsetzung aller erarbeiteten Framings in der täglichen Kommunikation. [1,p.5/6]
Hierfür wird eine falsche Äquivalenz aufgestellt indem der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der Infrastruktur, Rente und Polizei verglichen wird. Die Infrastruktur, Rente und Polizei haben einen intrinsischen Wert. die Presse hat nur einen Wert, wenn sie ehrlich aufklärt, nicht aber wenn sie Propaganda oder Meinungsmache betreibt. Hiervon ist aber nirgends die Rede.
Hier noch einmal der direkte Vergleich: Im Alltag nutzen wir das Konzept Angebot im Kontext des Konsums, etwa beim „Produktangebot“ eines Ladens oder dem „Serviceangebot“ einer Autowerkstatt. Wir sprächen aber nie vom gemeinsam finanzierten und organisierten „Straßenangebot“, „Rentenangebot“ oder „Polizeischutzangebot“. Was gemeinsam organisiert wird, zum Wohle aller und mithilfe aller, nennen wir prototypisch nicht Angebot. [1,p.25]
Begründet wird diese Vorgehensweise lediglich mit einer oberflächlichen Gut-Böse-Dichotomie. Angeblich sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk ARD ein gemeinsamer Rundfunk, demokratisch und finde mit Beteiligung der Bürger statt. Das alles ist jedoch falsch. [1,p.25] [1,p.26] [1,p.27] [1,p.28] [1,p.44] [1,p.53] [1,p.56]
Die ARD ist kein Produkt­ oder Serviceanbieter, der bei Kunden darum wirbt, dass seine Angebote gekauft werden. Sie ist der gemeinsam ermöglichte Rundfunk der Bürger. Unter anderem über die finanzielle Beteiligung unser aller wird ein Rundfunkkapital geschaffen, das von der ARD verwaltet wird, mit dem primären Ziel, dem Bürger die für das eigene und gemeinsame Wohlergehen nötige freie mediale Infrastruktur zu ermöglichen. Diese Infrastruktur umfasst Information ebenso wie bildende und sinnstiftende Kultur­  und Unterhaltungsformate. Diese mediale Infrastruktur nutzen die Bürger. Um sich zu informieren oder um sich bildend oder sinnstiftend unterhalten zu lassen. Sie sind die Nutzer ihres gemeinsamen Rundfunks ARD. Sie sind nicht die „Konsumenten“ des „vielfältigen Angebots“ der ARD.

Private Anbieter sind profitwirtschaftliche Anbieter von Informationen und Unterhaltung. Sie sind der kommerzielle Rundfunk oder auch Kommerzmedien oder Kommerzfernsehen. [1,p.25]
Die ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland) wurde in 1950 von den Besatzungsmächten gegründet. Die Rundfunkräte der Landesrundfunkanstalten sind die obersten Aufsichtsgremien die für die Programmkontrolle zuständige sind. Diese setzen sich jedoch nicht aus einfachen Bürgern zusammen noch werden sie von ihnen gewählt, sondern aus Vereinigungen wie zum Beispiel Gewerkschaften, Frauenverbände, Kirchen und Parteien.
Das Problem ist deutlich: Die Bezeichnung „öffentlich­rechtlich“ transportiert zwar die rechtliche Natur der ARD, aber nicht die moralisch­gesellschaftliche Prämisse der ARD. Sie lässt gedanklich unter den Tisch fallen, dass die ARD eine Gemeinschaftsleistung aller Bürger ist: Der Einsatz des gemeinsamen Rundfunkkapitals für das gemeinsame Wohlergehen und den freien Zugang zu einer inhaltlich und technisch exzellenten medialen Infrastruktur. Wo wir im Alltag kooperieren, da sprechen wir vom „gemeinsamen Schaffen“, der „gemeinsamen Anstrengung“ oder davon, „zusammen“ etwas zu „gestalten“, zu „organisieren“ oder zu „ermöglichen“. Wer will, dass die Mitbürger den Wert und die Legitimation der ARD klarer erkennen oder sich wieder in Erinnerung rufen, spricht deshalb besser von unserem gemeinsamen, freien Rundfunk ARD über den wir uns freien Zugang zu einer exzellenten medialen Infrastruktur auf höchstem inhaltlichen und technischen Niveau. [1,p.28]
Diese Distanz vom Publikum und Gebührenzahler ist der Autorin Elisabeth Wehling vermutlich bekannt. Es wird nämlich keine Reform der Strukturen empfohlen sondern eine Umdeutung der Verhältnisse.
Unser Eigeninteresse an der gemeinsamen Rundfunkinfrastruktur ARD ist umfassender. Denn sie ist die Grundlage unseres privaten und wirtschaftlichen Wohlergehens. Und zwar sowohl dann, wenn wir selbst vom freien Zugang zum gemeinsamen Programm Gebrauch machen, als auch dann, wenn wir das nicht tun und stattdessen ‚nur’ von der sozialen, demokratischen und wirtschaftlichen Stabilität profitieren, die die ARD sichert.

Die Rundfunkbeteiligung ist gelebte Eigenverantwortung für die deutsche Kultur, Wirtschaft und Demokratie als Grundlage unseres individuellen Wohlergehens. Nur in einem Land mit einer stabilen gemeinsamen Rundfunkinfrastruktur kann man frei und erfolgreiche leben und seinen Geschäften nachgehen. [1,p.35]

Die ARD produziert aber nicht als vom Bürger getrennte Entität ein Programm, dass dann vom Bürger als passive zweite Entität konsumiert wird, indem er als „Publikum“ „zuschaut“. Sondern, die ARD ist der gemeinsame, demokratische Rundfunk der Bürger – die wiederum freien Zugang zu allen Sendungen ihrer medialen Infrastruktur genießen. Wir nutzen das Programm – in vielfältiger und unterschiedlicher Weise –, das wir gemeinsam ermöglichen. [1,p.44]
Das Framing Handbuch fordert zu einer bewussten Beeinflußung des Publikums und der Gebührenzahler auf. Mit diesem Verhalten soll letzlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerechtfertigt werden. Ein solches Verhalten wirft aber unweigerlich die Frage auf ob und wenn ja wie es gerechtfertig werden kann. Die Generalsekretärin Susanne Pfab und der ARD-Chefredakteur Rainald Becker haben das Framing Handbuch in diversen Interviews verteidigt. Nach ihren Aussagen war und ist das Framing-Handbuch nicht verbindlich. Es fällt jedoch auf dass es in den Interviews um das Framing-Handbuch und nicht um das Framing als solches geht. Außerdem wurde in den Interviews nicht mehrmals nachgefragt und entlässt die Pfab und Becker vorschnell aus ihrer Verantwortung. [3] [4] [5] [6]
Selbstverständlich wollen wir mit unserem Programm überzeugen. Framing ersetzt keine inhaltliche Argumentation.

Generalsekretärin Susanne Pfab [3]

Für mich war die Erkenntnis ganz wichtig, dass wir hier nicht ehrlich sprechen. Der Begriff “Gemeinwohlmedien” drückt viel besser aus, wofür wir stehen als “öffentlich-rechtlich”.

auch Generalsekretärin Susanne Pfab [4]

Ich kann da keinen Skandal entdecken, wie einige das getan haben. Wir haben niemanden unter Mindestlohn bezahlt, wir haben niemanden unterdrückt. Ich finde das eine künstlich aufgeblasene Diskussion.

ARD-Chefredakteur Rainald Becker [5]

Ich bin schockiert über die Vorwürfe. Vor allem, weil der Hintergrund völlig außer Acht gelassen wird. Ich habe auf der Grundlage von Workshops mit einer Arbeitsgruppe der ARD 2017 ein internes Papier geschrieben. Die Idee war, einzelne Begriffe in der Kommunikation des Senders zu analysieren und Alternativen aufzuzeigen.

Elisabeth Wehling [6]
Ein sehr ähnliches Verhalten findet sich aber auch bei Elisabeth Wehling der Autorin des Framing-Handbuchs. Genauso wie die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks spielt Wehling das Framing-Handbuch als unverbindliche Empfehlung herunter. Inhaltlich gleich äußerten sich auch Vertreter der ARD. Dabei lassen beide eine Rechtfertigung oder aber Erklärung für das Vorgehen vermissen. Beide tun so als ob solche Manipulationstechniken kein Problem seien. [7] [8] [9]
In jeder Debatte der Demokratie geht es um Fakten. Diese werden von unterschiedlichen Seiten durch Worte unterschiedlich interpretiert – je nach Standpunkt. Die Worte, mit denen das getan wird, sind stets mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen. Ein bewusstes Einordnen und Verwenden von Sprache ist damit zentral für eine klare Kommunikation der eigenen Einordnung von Fakten. Oder, wie es im thematisierten Dokument heißt: "Eine Kommunikation der Prinzipien ist nicht nur maximal wirkkräftig. Sondern es ist auch maximal ehrlich, authentisch und demokratisch, diese Prinzipien zu kommunizieren."

Elisabeth Wehling [8]

...
Aufgrund des missverständlichen Titels ist diesem von Frau Dr. Wehling entworfenen Papier nun allerhand Bedeutung zugeschrieben worden. Es handelt sich ausdrücklich weder um eine neue Kommunikationsstrategie noch um eine Sprach- oder gar Handlungsanweisung an die Mitarbeitenden, sondern um Vorschläge aus sprachwissenschaftlicher Sicht.
...
Die Arbeitsunterlage macht unter anderem darauf aufmerksam, dass es sinnvoll sei, über sprachliche Formulierungen auch die dahinterstehenden Werte offenzulegen. Die Formulierung „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ enthält beispielsweise keinerlei inhaltliche Aussage, außer die rechtliche Organisationsform zu benennen. "Unser gemeinsamer freier Rundfunk" weist hingegen auf den gemeinwohlorientierten Auftrag der ARD für die gesamte Gesellschaft hin.
...
Fakten und inhaltliche Argumente stehen immer im Vordergrund. Überzeugen müssen und wollen wir mit unserem Angebot für alle.
...

ARD [9]
Die Kosten für das Framing-Handbuch und der damit verbundenen Schulungen lagen der ARD zufolge bei 120.000 Euro. 90.000 Euro entfielen auf die Unterlagen und weitere 30.000 Euro auf die Schulungen. Die Entscheidung wurde nach Angaben der ARD getroffen weil Medien in dieser Zeit generell stark kritisiert wurden. [10] [11]

[1] Öffentlichkeit - Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD 2019-02-17
https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/
[2] Ralf Stegner: Was soll daran eigentlich kritikwürdig sein?! 2019-02-18
https://twitter.com/Ralf_Stegner/status/1097756489199091713
[3] Wofür braucht die ARD denn ein “Framing Manual”? Generalsekretärin Susanne Pfab über den viel diskutierten Sprach-Leitfaden 2019-02-12
https://meedia.de/2019/02/12/wofuer-braucht-die-ard-denn-ein-framing-manual-generalsekretaerin-susanne-pfab-ueber-den-viel-diskutierten-sprach-leitfaden/
[4] ARD-GENERALSEKRETÄRIN - „Das Papier ist völlig ungeeignet zur kommentarlosen Weiterleitung“ 2019-02-18
https://www.welt.de/kultur/medien/article188982137/ARD-Generalsekretaerin-Pfab-Framing-ersetzt-keine-inhaltliche-Argumentation.html
[5] Rainald Becker - ARD-Chefredakteur nennt Kritik an „Framing Manual“ übertrieben 2019-02-19
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/rainald-becker-ard-chefredakteur-nennt-kritik-an-framing-manual-uebertrieben/24015000.html
[6] Elisabeth Wehling : "Ich bin schockiert über die Vorwürfe" 2019-02-27
https://www.zeit.de/2019/10/elisabeth-wehling-linguistin-framing-manual-ard-sprache
[7] Berkeley International Framing Institute
https://www.framinginstitute.org/mind-and-language
[8] IN EIGENER SACHE: KLARSTELLUNG ZUR AKTUELLEN DEBATTE
http://www.elisabethwehling.com/klarstellungzuraktuellendebatte
[9] Klarstellung von ARD-Generalsekretärin Dr. Susanne Pfab - Was hat es mit dem so genannten "Framing Manual" auf sich? 2019-02-17
http://www.ard.de/home/die-ard/presse-kontakt/pressearchiv/Klarstellung_Was_hat_es_mit_dem_Framing_Manual_auf_sich_/5314070/index.html
[10] Untersuchung zur Wirkung von Sprache - "Framing-Manual" der ARD kostet 120.000 Euro 2019-02-19
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/untersuchung-zur-wirkung-von-sprache-framing-manual-der-ard-kostet-120-000-euro/24014524.html
[11] ARD : Sender legt Kosten für umstrittenes Framing-Gutachten offen 2019-02-20
https://www.zeit.de/kultur/2019-02/ard-framing-gutachten-kosten-offenlegung-rundfunkbeitrag-oeffentlich-rechtlicher-rundfunk

Die Zwangsgebühr

In Deutschland gibt es zwei Rundfunkanstalten die als öffentlich rechtlich gesehen werden. Die Gruppe aus ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie die Deutsche Welle.

Die Deutsche Welle wird direkt durch den Staat finanziert und ist eigentlich der Auslandsrundfunk. Der Jahreshaushalt beläuft sich auf 301,8 Millionen Euro pro Jahr. [2] Die Gruppe aus ARD, ZDF und Deutschlandradio wird durch eine monatliche Abgabe von 17,50 Euro finanziert und ist eigentlich der Inlandsrundfunk. Der Jahreshaushalt beläuft sich damit auf 8,1 Milliarden Euro pro Jahr. [3]

Die Deutsche Welle ist wegen der umfangreichen Berichterstattung auch schon fast ein vollwertiger Inlandsrundfunk. Und die Kritik an diesen Kosten zu kontern ist ein expliziter Teil des Framing-Handbuchs.
Kurzum, innerhalb des Zahlungs­Frames wird die gesetzlich vorgeschriebene Beitragszahlung zum Zwang, einen Kaufvertrag abzuschließen: Zwang, Verträge über Dinge abzuschließen, die man gar nicht einkaufen möchte; Zwang, für Dinge zu zahlen, die nicht man selbst nutzt sondern andere Kunden.
...

Tatsächlich ist die Beteiligung am gemeinsamen Rundfunk ARD aber eine Handlung der kulturellen und demokratischen Eigenfürsorge: Wir sichern uns (Vorsicht: nicht „leisten uns“!) durch unsere monatliche Beteiligung die freie mediale Infrastruktur ARD, die Grundlage unseres täglichen privaten und wirtschaftlichen Lebens ist. Wir erhalten über die Beteiligung den Schutzraum, innerhalb dessen freie, echte Informationsarbeit und langfristig angelegte bildende und sinnstiftende Unterhaltung leben und gedeihen können. Zu diesem Schutz vor profitwirtschaftlicher Einflussnahme und politischer Übergriffigkeit tragen wir monatlich bei – für eine mediale Infrastruktur, die Garant unserer demokratischen, privaten und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ist. [1,p.53]
Im Framing-Handbuch geht es jedoch weder darum potentiell Geld einzusparen oder darum das Geld so gut wie möglich einzusetzen. Es geht einzig darum die Abgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umzudeuten.
Kommen wir zum fünften und damit letzten Begriff, der „Abgabe“. Er wurde im Kontext der ARD unter anderem prominent durch die Einführung des Konzepts der „Demokratieabgabe“. Während der hier aktivierte Frame zwar wiederum auch das Thema Geld in den Vordergrund stellt (wir „zahlen“ Abgaben), liegt das größere Problem woanders. Und zwar profiliert er semantisch stark den Frame des Transfers eines Objekts (hier: Geld) von einer Entität (hier: Bürger) an eine andere Entität (hier: die ARD). Damit stellt er sich aufgrund seiner inhärenten Frame­Semantik direkt gegen das moralische Anliegen der gemeinsamen Beteiligung an der ARD: die Teilhabe und gemeinsame Organisation und Gestaltung einer freien medialen Infrastruktur unter der Beteiligung all derjenigen, die auf eben diese Infrastruktur als Privatpersonen, Geschäftstreibende und Mitglieder der deutschen Gesellschaft angewiesen sind. [1,p.56]

...
Zudem gilt es, sich von einer Sprache zu verabschieden, die die ARD anderweitig als eine vom Bürger losgelöste Entität begreifbar macht. Zum Beispiel „finanziert sich“ die ARD nicht „aus den Beiträgen der Bürger“. Sie „gibt auch nicht die Rundfunkbeiträge für Verwaltung und Programm aus“. Sondern, sie verwaltet und verwendet unser gemeinsames Rundfunkkapital und tut dies so, dass nach dem Gleichwertigkeits­Prinzip kein am Rundfunk beteiligter Bürger und keine am Rundfunk beteiligte Region ausgegrenzt, sich selbst überlassen oder vernachlässigt wird. [1,p.56]
Es wird dazu geraten die Abgabe als Mitgliedschaft umzudeuten obwohl es kein Forum zur Mitsprache für das Publikum und die Beitragszahler gibt. Es wird zur Nutzung von Euphemismen wie zum Beispiel der Demokratieabgabe geraten.
Also, die Bürger tragen zum gemeinsamen Rundfunk ARD bei. Wir alle tragen zu unserem gemeinsamen Rundfunk ARD bei. Diese Formulierungen sind starke Partner des Beteiligungs­Frames. [1,p.57]

Für die Zwecke der ARD ist ein guter semantischer Kamerad an der Seite des Beteiligungs­Frames (und damit implizit auch des Teilhabe­Frames) der Begriff des „Beitragens“. Er generiert, ähnlich der ‚Beteiligung’, automatisch einen Frame, der die gemeinschaftliche Anstrengung in den Vordergrund stellt. Denn: Man kann nicht zu etwas beitragen, zu dem nicht auch andere beitragen. Wer sagt: „Ich trage zum Hausputz bei“, der putzt das Haus nicht alleine. [1,p.58]
Die Debatte um die Kosten sind besonders interessant, wenn man diese mit der Bezahlung der Mitarbeiter vergleicht. Einerseits verdienen die Intendanten und Direktoren der Landesrundfunkanstalten enorme Gehälter. Diese Reichen von 170.000 bis zu 380.000 Euro pro Jahr. Andererseits sind die Bedingungen für die übrigen Mitarbeiter eher prekär. Nur etwa die Hälfte der übrigen Mitarbeiter hat eine Festanstellung und werden von Gewerkschaften vertreten. [4] [5] [5,pdf]
Landesrundfunkanstalt BR HR MDR NDR RBB RB SR SWR WDR
Jahresgehälter 2017 der Intendant/in p.a. in Euro 373.000 272.000 275.000 345.000 255.000 271.000 242.000 343.000 379.000
Durchschnittliche Monatsgehälter 2017 der Direktor/innen in Euro 18.454 15.831 14.773 18.827 15.593 14.171 14.133 18.200 18.731
[4]

[1] Öffentlichkeit - Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD 2019-02-17
https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/
[2] Deutsche Welle erhält mehr als zehn Millionen zusätzlich 2015-12-01
https://www.horizont.net/medien/nachrichten/Etataufstockung-Deutsche-Welle-erhaelt-mehr-als-zehn-Millionen-zusaetzlich-137721
[3] RUNDFUNKBEITRAG : 8.131.285.001,97 Euro 2016-06-14
http://www.faz.net/-gqz-8i8dv
[4] Gehälter und Vergütungen in der ARD - Feste Mitarbeiter und außertariflich Vergütete 2019-03-15
http://www.ard.de/home/die-ard/fakten/Gehaelter_und_Verguetungen_in_der_ARD/4127124/index.html
[5] Beschäftigte zweiter Klasse? Gute Arbeit auch für Freie 2019 Januar
https://www.rosalux.de/publikation/id/39863/beschaeftigte-zweiter-klasse-gute-arbeit-auch-fuer-freie/
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/190125-Beschaeftigte-2.Klasse-Rundfunk.pdf

Attitude Journalism

Ein nicht expliziter aber immer wieder auftauchender Aspekt ist die Rechtfertigung bestimmter Positionen mit moralischen Argumenten. Für dieses Vorgehen hat sich in Deutschland das Wort Haltungsjournalismus etabliert.
Es ist aber nicht nur so, dass moralische Narrativen bei der Mobilisierung von Zustimmung zu oder Ablehnung von einer Sache über die größte kognitive Zugkraft verfügen. Sondern, sie sind auch am ehrlichsten. [1,p.4]

Die Arbeit der ARD ist von moralischen Prinzipien getragen. Die ARD setzt sich für bestimmte Dinge ein, weil sie von ihrer moralischen Notwendigkeit für das gesellschaftliche Miteinander überzeugt ist. Eine Kommunikation dieser Prinzipien ist nicht nur maximal wirkkräftig, wo es darum geht, Mitbürger mit ins Boot zu holen und für die ARD zu begeistern. [1,p.4]
Hierfür wird empfohlen wie mit den Argumenten der Gegenseite umgegangen werden kann. Es wird jedoch keine Aufgabe für die Presse oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunk definiert oder über logische Fehlschlüsse aufgeklärt.
Wir nehmen es nicht wahr und wir können es auch nicht beeinflussen. Aber es hat zentrale Konsequenzen für Ihre Kommunikation: Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner, und nutzen Sie diejenigen Frames, die Ihre moralische Perspektive auf die Sachverhalte deutlich machen, immer und immer wieder – von Interview zu Interview, von Debatte zu Debatte, von Schriftsatz zu Schriftsatz. Nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative werden zu lassen. [1,p.17]
Dazu kommt ein eigenartige Verhältnis zur Sprache. Bei Elisabeth Wehling darf man davon ausgehen dass sie weiß wie Framing und dessen Beeinflussung funktionieren. Sie verteidigt aber auch das was sie als ehrliche Sprache bezeichnet und nach ihr auch als politische Korrektheit bezeichnet wird. Damit beweist Wehling ihr in gutes und böses Framing gespaltenes Verhältnis zum Framing.
Strategisches Framings ist ein stufenweiser Prozess. Versuchen Sie nie, eine Diskussion – sei es etwa jene zur „Beteiligung“ oder jene zur „Freiheit“ – von heute auf morgen komplett innerhalb der neuen Narrative und Schlagwörter zu bestreiten und alle Begrifflichkeiten, die Sie derzeit nutzen, abrupt fallen zu lassen. Das stiftet Verwirrung und macht unnötig angreifbar – gerade in Zeiten, in denen ehrliche Sprache zunehmend als ‚Politische Korrektheit’ diffamiert wird. Darüber hinaus kann es dem Mitbürger das Verstehen Ihrer Ziele und Botschaften erschweren, wenn er mit einem Male keine der gängigen ARDFormulierungen mehr vorfindet. [1,p.18]
Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören. [2]
Tatsächlich können Journalisten schwere Fehler begehen. Menschen können wissentlich oder unwissentlich Informationen so auszuwählen oder interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen bestätigen. Dieses Verhalten kann sich auch darin zeigen dass sich Menschen eher an Ereignisse erinnern, welche die eigenen Erwartungen bestätigen. Ein solches Verhalten wird auch Bestätigungsfehler oder confirmation bias genannt. Ein anderes Fehlverhalten ist dass missinterpretieren durch Auslassen. Dies ist kein direktes Lügen, sondern das wissentliche auslassen von Informationen , welche nicht die eigenen Erwartungen bestätigen. Ein solches Verhalten auch Lügen durch Auslassen "lying by omission" genannt.

Die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Anja Reschke und Georg Restle schlagen dies ebenfalls vor. Beide kritisieren das Neutralitätsgebot für Journalisten. Beide haben aufgefordert dass Journalismus werteorientiert sein soll und Haltung zeigen sollen. Restle gesteht ein dass Journalisten beim Auswählen und Aussortieren immer auch ihre eigene Einstellung einfließen lassen. Anstatt einer ausgewogener, kritischer und neutraler Berichterstattung plädiert er aber dafür dass Journalisten humanistisch sein sollen. Reschke malt direkt einen übergroßen Strohmann an die Wand. Nach ihr ist in Deutschland die Demokratie gefährdet und die politische Lage vergleichbar mit der Weimarer-Republik. Die Bedrohung stammt angeblich von Rechts. Belege liefert sie hierfür jedoch nicht. Beide wollen also das Neutralitätsgebot zu Gunsten einer vermeintlich guten Sache aufkündigen. [3] [4,S.44-45] [5] [6]

Wenn Journalisten sich aber nicht nach den Fakten sondern nach einer Haltung richten, dann schlägt sich diese auch in der Berichterstattung wieder. Es stellt sich also die Frage welche Einstellung die Journalisten haben. Nach einer Studie über die Ansichten und das Wahlverhalten von Journalisten in Deutschland wählt ein Viertel der Journalisten die Partei die Grünen. Und fast die Hälfte der Journalisten wählt demnach das Linke und Grüne Lager. Auf die konservative CDU/CSU und die wirtschaftsliberale FDP entfallen nur jeweils 9 und 7,4 Prozent. Linke und Grüne sind also überrepräsentiert während andere Parteien dramatisch unterrepräsentiert sind. [7,S.18]

Das Framing-Handbuch wirft wie der Fall von Claas Relotius ein grelles Licht auf die Methoden und Arroganz mancher Journalisten. Und wenn die Journalisten keine Konsequenzen ziehen, dann müssen es die Leser tun. Kritik an der Presse ist also nicht Wasser auf die Mühlen der Falschen. Wegen solcher Fälle ist es umso wichtiger zu sagen was ist. Denn wenn die Wahrheit zu sagen den vermeintlich Falschen nutzt, dann stimmt etwas mit den Richtigen nicht.

[1] Öffentlichkeit - Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD 2019-02-17
https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/
[2] Cool bleiben, nicht kalt 1995-03-27
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9176410.html
[3] Georg Restle 2018-07-03
https://twitter.com/georgrestle/status/1014133298245853184/photo/1
[4] print Juli/August 2018
http://print.wdr.de/2018-07_08/
[5] Anja Reschke: "Dagegen halten - Mund aufmachen" NDR 2015-08-05
https://youtu.be/i9kv-rmvGKg
[6] Haltung zeigen! - mit Anja Reschke 2018-12-27
https://www.srf.ch/play/tv/srfglobal/video/haltung-zeigen-mit-anja-reschke?id=7d4dc80c-8f00-4df6-9d9e-1de8056b0508&startTime=198.067514&station=dd0fa1ba-4ff6-4e1a-ab74-d7e49057d96f
[7] POLITIKJOURNALISTINNEN UND -JOURNALISTEN 2010-05
https://www.dfjv.de/documents/10180/178294/DFJV_Studie_Politikjournalistinnen_und_Journalisten.pdf

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