[Wirtschaft] Wie die Konzentration von Kapital das Lohnniveau drückt 2019-09-07

Es häufen sich zunehmend die Berichte über eine Rezession der deutschen Wirtschaft. [3] [4] [5] [6] [7] Auffallend ist jedoch wie wenig in diesem Zusammenhang über den Einfluss der Binnennachfrage und der Lohnquote berichtet wird. Zum einen sind in Deutschland die Löhne und folglich die Lohnquote vergleichsweise niedrig. [10] [11] Und auch deswegen hat ist Deutschland mittlerweile mit einem Exportanteil von 39% überdurchschnittlich vom Export abhängig. [8] [9]
  1. Die Lohnquote
  2. Die Folgen
  3. Lösungen

Die Lohnquote

Die Lohnquote ist der Anteil am Einkommen der Arbeitnehmer vom gesamten zur Verfügung stehendem Einkommen in einer Volkswirtschaft. Je geringer die Lohnquote jedoch ist desto mehr wird jedoch die Binnennachfrage fallen. Das liegt auch daran dass Menschen mit steigendem Einkommen anfangen zu sparen und mit sinkendem Einkommen weniger in der Lage sind zu sparen.

Die Lohnquote ändert sich jedoch mit der Lohnentwicklung und der Arbeitsproduktivität. Die Arbeitsproduktivität beziffert die bestimmte Menge der Arbeitsleistung oder Güter und Dienstleistungen die aus dem einer bestimmten Menge an Arbeitseinsatz hervorgeht. Ein Anstieg der Arbeitsproduktivität ist also positiv und bedeutet dass bei gleichen Arbeitseinsatz mehr Wohlstand in Form von Gütern und Dienstleistungen geschaffen wird. Um die zusätzlichen Güter und Dienstleistungen jedoch konsumieren zu können müssen die Löhne im gleichen Land entsprechend steigen.

Wie die Konzentration von Kapital das Lohnniveau drückt haben zuletzt Dominic Ponattu, Andreas Sachs, Heidrun Weinelt und Alexander Sieling untersucht. Darin wurde die Lohnentwicklung von 2008 bis 2016 in Abhängigkeit der Unternehmenskonzentration verglichen. Das Ergebnis ist dass Arbeitnehmern Lohnzuwächse in Höhe von insgesamt 9 bis 11 Milliarden Euro oder je nach Branche bis zu 2.192 Euro weniger pro Arbeitnehmer über diesen Zeitraum entgangen sind. Eine genaue Definition gibt es nicht für Unternehmen die für diese Lohnzurückhaltung verantwortlich sind. Es sind aber besonders große und in ihrer Branche besonders einflussreiche Unternehmen. [1] [1,p.10] [2]

Auffallend sei jedoch dass die Unternehmen infolge digitaler Vertriebswege mit vergleichsweise wenig Mitarbeitern anbieten. Dazu kommt dass diese Unternehmen sich durch ein besonders geringe Lohnerhöhungen auszeichnen. Und die Kombination aus beiden setzt dann konkurrierende Unternehmen unter Druck technisch mitzuhalten oder an den Löhnen zu sparen. Am stärksten betroffen von dieser Dynamik seien öffentliche Dienstleistungen wie zum Beispiel das Gesundheitswesen, Entsorgungswirtschaft oder die Wasserversorgung. Ebenfalls betroffen seien aber auch die Branchen Logistik, Rechtsberatung und Großhandel. [1] [1,p.10] [1,p.25] [2]

Die Folgen

Dazu kommt die Lohnzurückhaltung nach der Einführung nach der Einführung des Euros in Deutschland. Und in Summe liegt deswegen das Lohnniveau in Deutschland unter dem seiner Nachbarn Luxemburg, Frankreich, Irland, Niederlande und Belgien. Sichtbar wird dies am Mindestlohn von 9,19 Euro (2019) und dem geringen Quotienten aus Löhnen und Arbeitsproduktivität (Lohnstückkosten). [8] [9] Dieser Mangel an Kaufkraft hat in Deutschland die Binnennachfrage stark ausgebremst und dazu geführt dass der Exportanteil von 21% in 1996 auf 39% in 2017 angestiegen ist. Damit ist Deutschlands Wirtschaft enorm vom Export abhängig und besonders Anfällig für internationale Krisen oder einem Handelskrieg. [10] [11]

Über die letzten beiden Jahrzehnte ist die Erwerbsarmut in Deutschland unter einfachen Arbeitnehmern stark angestiegen. Der Anteil der von Armut gefährdeten in Deutschland stieg von 12,7% in 2007 auf 20,5% in 2016. Nach den Kriterien der EU ist man von Armut gefährdetet wen man über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. [12]

Auch der Anteil derjenigen die in Deutschland trotz einer Erwerbstätigkeit von Armut betroffen sind stieg seit der Einführung des Euros und der Niedriglohnpolitik. Nach Angaben der EVS (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) und der SOEP (Sozio-ökonomisches Panel) stieg in Deutschland der Anteil derjenigen die trotz einer Erwerbstätigkeit von Armut betroffen sind von etwa 5% in 1995 auf 10% in 2015. [13] [13,A03]

Lösungen

Die Studie von Ponattu, Sachs, Weinelt und Sieling schlägt aber auch mögliche Lösungen vor. Der Rückgang der Lohnquote könnte einerseits durch eine neue Vermögenspolitik durch Unternehmenssteuern oder Beteiligungen aufgefangen werden. Alternativ könnten kleinere und mittlere Unternehmen auch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Eine Möglichkeit wäre es wenn die Forschung und die Entwicklung bei den betreffenden Unternehmen durch den Staat gefördert wird. In jedem Fall sollte der Einfluss von diesen überdurchschnittlich großen Unternehmen besonders auf die Lohnquote nicht unterschätzt werden. Mit ihrer Dominanz könnten diese überdurchschnittlich großen Unternehmen den anderen Arbeitnehmern und Unternehmen ihrer Branche erheblichen Schaden anrichten. [2]

[1] Löhne wachsen langsamer, wenn Unternehmen mächtiger werden 2018-11-12
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2018/november/loehne-wachsen-langsamer-wenn-unternehmen-maechtiger-werden/
https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_BST_PIW01_07lay_RB.pdf
[2] MARKTKONZENTRATION - Die Superstar-Firmen kommen! 2018-11-15
https://makronom.de/marktkonzentration-die-superstar-firmen-kommen-28594
[3] Economics - German Economy Heads for Worst Growth in Six Years 2019-04-17
https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-04-17/germany-2019-economic-growth-forecast-cut-in-half-to-0-5-percent
[4] Germany's economy is flashing yet another 'grim' warning after more weak data and a slump in demand 2019-04-18
https://markets.businessinsider.com/news/stocks/german-economy-car-industry-in-crisis-after-grim-manufacturing-data-2019-4-1028121039
[5] The German economy is slowing. Brexit could make it worse 2019-01-28
https://www.aljazeera.com/news/2019/01/german-economy-slowing-brexit-worse-190128031440710.html
[6] 'This is a serious recession warning in the German economy' 2019-03-27
https://www.businessinsider.de/this-is-a-serious-recession-warning-in-the-german-economy-2019-3?r=US&IR=T
[7] Schnellschätzung des BIP und der Erwerbstätigkeit für das zweite Quartal 2019 2019-08-14
https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10030277/2-14082019-BP-DE/0974b194-c2e5-4c99-92d1-dd373761f438
[8] NEWS - Germany minimum wage remains one of lowest in region: report 2019-02-14
https://www.dw.com/en/germany-minimum-wage-remains-one-of-lowest-in-region-report/a-47517931
[9] NOMINAL UNIT LABOUR COSTS, TOTAL ECONOMY
http://ec.europa.eu/economy_finance/ameco/user/serie/SelectSerie.cfm
[10] Exportanteil/Export Share
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Aussenhandel/lrahl01.html
[11] Exportüberschuss/Export Surplus https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VGR/Inlandsprodukt/Tabellen/BruttoinlandVierteljahresdaten_xls.html
[12] Eurostat-Daten - Wenn Arbeit nicht vor Armut schützt 2018-10-24
https://www.tagesschau.de/inland/beschaeftigte-armut-101.html
[13] Armuts- und Reichtumsbericht
https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Startseite/start.html

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