[Review] Alexander Teske - Inside Tagesschau - How Decisions are made
Alexander Teske ist ein deutscher Journalist und hat bis Ende 2023 und damit sechs Jahre in der Planungsredaktion der Tagesschau in Hamburg-Lockstedt gearbeitet. Davor hat Teske fünfzehn Jahre beim MDR in Leipzig und fünf Jahre bei Pro Sieben, Sat.1 und RTL gearbeitet. Mit seinem Buch "Inside Tagesschau" liefert Teske bislang unbekannte Einblicke in den öffentliche rechtlichen Rundfunk.
Woher kommen die Chefs vom Dienst
Die entscheidende Frage der Tagesschau Redaktion ist, wer die Richtung bestimmt. Laut Teske sind dies die Chefs vom Dienst des jeweiligen Tages und nicht die Chefredaktion. Was auch immer die Chefs vom Dienst nicht senden wollen, wird auch nicht gesendet. Was auch immer nicht in ihr Weltbild passt, das schafft es nicht in die Sendung. [1, p.18-19]
Die meisten haben nie vor der Kamera gestanden oder Beiträge realisiert. Sie kennen die Bedingungen, unter denen diese vor Ort entstehen, nicht oder nicht mehr. Sie haben dadurch wenig Gespür für die Realität in einem Studio. [1, p.18]
Es gibt keine Rotation oder Fluktuation bei den Duty Chiefs (Chefs vom Dienst). Ist es sonst in der Medienbranche üblich, seinen Job nach wenigen Jahren zu wechseln, eine neue Redaktion oder eine neue Stadt kennenzulernen, sitzt der typische Tagesschau Chef vom Dienst seit 20 Jahren auf seinen Stuhl. Es gibt keine Chefs vom Dienst, sie von ZDF, RTL oder ORF nach Hamburg gekommen sind. [1, p.19]
Wie sind die Chefs vom Dienst
Die Chefs vom Dienst werden von Teske als tendenziell links beschrieben und sie entscheiden einzeln oder auch verabredet gemeinsam gegen die Chefredaktion. Und sie beeinflussen mit ihren Positionen die Berichterstattung. Es fällt aber auf dass, die von Teske beschreibenden Positionen nicht wirtschaftlicher sondern Gesellschafts- und Innenpolitischer Natur sind. [1, p.22-24, 26-28]
Die Chefs vom Dienst eint: Sie sind meinungsstark und haben ihre persönlichen Vorlieben. Dies widerspricht dem Selbstbild der Tagesschau vom neutralen, objektiven Beobachter der Nachrichtenwelt. [1, p. 23]
Nachrichten, die nicht in ihr Weltbild passen, werden von den Chefs vom Dienst kein geredet und schaffen es nicht in die Sendung. [1, p.26]
Themen
Teske gibt an dass auch innerhalb der Tagesschau Einigkeit Herrschaft, dass der öffentlich rechtliche Rundfunk mit privaten Nachrichten konkurrieren soll. Dazu kommt dass Journalisten beider Seiten ähnlich sozialisiert sind und zu ähnlichen Beurteilungen kommen. Das resultiert darin dass ÖRR und private Nachrichten teilweise das gleiche und gleichzeitig berichten, Journalisten haben Angst selbst abweichend zu berichten und wollen auch ihre Karriere nicht dadurch verbauen, indem sie auffallen. Die Journalisten brauchen folglich keine Anweisungen, sondern wissen ohnehin was Mainstream ist und handeln entsprechend. [1, p.108-110]
So erfahren wir, dass nur solche Redakteure Kommentare sprechen dürfen, die auf einer Liste stehen. Und auf diese kommen sie, weil ihr Haussender sie vorschlägt, warum bleibt allerdings offen. [1, p.37-39]
Interner Klimabericht
Teske selbst kritisiert Arbeitsklima in der Redaktion selbst er bezieht sich aber auch auf einen Bericht über das Arbeitsklima dem bereits ein ähnlicher Bericht vorausging. Demnach herrschte zumindest in der Vergangenheit ein Klima der Einschüchterung durch und des Vertrauensverlusts in die Leitung. Dies betrifft vor allem die ehemalige Leiterin der Politikredaktion Julia Stein und ihren damaligen Vorgesetzten und ehemaligen Leiter der Fernsehsparte Norbert Lorentzen. Beide sollen für ihren Bereich im Alleingang entschieden haben was gesendet wurde und oft auch wie.
Aus den Berichten geht hervor dass der Wechsel der Tagesschau vom Radio- und TV-Sender zu einen Übermedialen Institution der Grund für die Entwicklung ist. Führungskräfte würden an ihren Aufgaben scheitern und Mitarbeiter würden die intransparenten Entscheidungen nicht verstehen können. Dazu komme dass besonders für freie Mitarbeiter die Lage schwierig sei und dies eine zwei Klassen Gesellschaft schaffe, obwohl diese freien Mitarbeiter in manchen Bereichen sogar die Mehrheit seien. Außerdem sei es üblich dass freie Mitarbeiter spätestens nach 15 Jahren entlassen werden, um zu verhindern dass sich diese einklagen können. Wenn jedoch freie zu festen Mitarbeitern werden, dann würden diese weniger journalistisch tätig sein sondern mehr mit der Planung und der Abnahme von Beiträgen tätig sein.
Zum Schlusse wird noch angemerkt dass der hohe Anspruch an Qualität und Perfektion wenig Platz für Fehlertoleranz lässt. Und die ür die Chefredakteure sei dies nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben. [1, p.55-56] [2] [3]
Polit Mediale Komplex
Eigentlich sollte die Presse die Politik überwachen und zur Verantwortung ziehen. Teske kritisiert aber wie Journalisten und Regierungen immer bedenklicher zusammenwachsen. Zwar gäbe es Zeitbegrenzungen wie lange Korrespondenten vom öffentlich rechtlichen Rundfunk in unmittelbarer Nähe von Politikern verbringen dürfen, dies habe aber massive Lücken. Teske zählt die Journalisten vom öffentlich rechtlichen Rundfunk auf die als Pressesprecher in die Politik gingen, Michael Stempfle, Florian Schäfer, Frank Wend, Annett Hoffmann, Sebastian Rudolph, Steffen Seibert, Ulrich Wilhelm und Ulrike Demmer. Und jene die wieder zurück gingen, Ulla Fiebig und Christiane Wirtz. Teske kritisiert zusätzlich dass die Arbeitsverträge als Journalisten währenddessen nicht gekündigt werden sondern nur ruhen. Teske vermutet dass die prekäre Arbeitsverhältnise und die unweigerliche Meinungsmache für zukünftige Arbeitsverhältnisse diesen Wechsel weg vom Journalismus forcieren. [1, p.60-67]
Expertokratie
Teske beschreibt wie die Kompetenzen der Journalisten bei der Tagesschau durch eine Expertokratie überflüssig gemacht werden und langfristig abbauen. So werden für sehr viele etwas komplexere Themen externe Experten eingeladen wie zum Beispiel Clemens Fuest (Ökonom), Bastian Schweinsteiger (Fussballer) oder Christian Drosten (Mediziner). Im Zuge dessen wird Verantwortung für die Aussagen auf die Experten verlagert. Die Interessen und die dahinter stehenden Lobbys der jeweiligen Experten werden allerdings verschwiegen. [1, p.70-84]
Die Zunahme von Experteninterviews hat auch mit dem Stellenabbau in den Sendern zu tun. Fachredakteure, die sich jahrzehntelang nur mit einem schmalen Themengebiet beschäftigen und damit Expertenwissen angehäuft haben, galten als Auslaufmodell. Die meisten Journalisten, die für TV-Nachrichten arbeiten, sind sogenannte Allrounder. Wir sind Experten für alles und nichts. Was bedeutet, dass wir bei allen Themen mitreden können, aber von keinem Thema richtig Ahnung haben. [1, p.79]
Wer den erlaubten Meinungskorridor verlässt, wird intern mit entsprechenden Anmerkungen gelistet und nicht mehr eingeladen. Beispielsweise verschwand der ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat nach einem Interview bei tagesschau24 von einem Tag auf den anderen. Der stellvertretende Chefredakteur Helge Fuhst regte sich über das Interview auf, da Kujat dem Westen schwere Versäumnisse und Vorwürfe machte und Verständnis für die Position Russlands äußerte. [1, p.83-84] [4]
Die Anweisung an die Redaktion ist klar: Keine Interviews mehr mit dem General, dieser sei untragbar. Ich bin irritiert. Was ist mit unserer viel gelobten Meinungsfreiheit und dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender, die Breite der Meinungen in der Bevölkerung abzubilden, solange sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen? [1, p.83]
Werner Patzelt machte noch drastischere Erfahrungen. Der Passauer Wuschelkopf war Gründungsprofessor der Politikwissenschaften der TU Dresden. Immer wieder kommentierte er zahlreiche Medien des politischen Geschehens in Deutschland. Schlagfertigkeit und Humor machten ihn zu einem gefragten Gesprächspartner. Beim Aufstieg der AfD vertrat Patzelt die These, die CDU sei daran mitschuldig, da sie eine Lücke an rechten Rand hinterlassen habe, die nun von den Rechtspopulisten gefüllt wurde. [1, p.84]
Teske merkt im späteren Teil des Buches aber auch die Schnelllebigkeit der Nachrichten an und wie dies die Tagesschau befallen hat. So werden diverse Beispiele genannt bei denen die Tagesschau unmittelbar über aktuelle Entwicklungen berichten will, noch bevor die Lage klar ist. Auch wenn Teske dies nicht unmittelbar mit der kritisierten Expertokratie in Verbindung bringt, beschreibt er schon wie dies die Tagesschau überlastet. [1, p.207-217]
Auslandsberichterstattung
Obwohl die Auslandsberichterstattung ein wesentlicher Teil der Tagesschau ist, ist die Berichterstattung der verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich. Ein Grund hierfür ist auch die unverhältnismäßig Anzahl der Korrespondenten im Ausland. So sind in Israel und im Westjordanland zwei Korrespondenten in ganz Südamerika ist aber nur ein Korrespondent. [1, p.86-88, 88-89]
So war der gesamte öffentlich rechtliche Rundfunk von Brexit, Trump, der Übernahme von Afghanistan durch die Taliban und dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine überrascht. Trotz dem Einsatz der Bundeswehr in Mali und Niger war der öffentlich rechtliche Rundfunk von den Regierungswechseln in Mali, Burkina Faso und Niger überrascht. Die Berichterstattung für diese drei Länder fand findet jeweils aus anderen Ländern heraus statt. Teske attestiert dass der öffentlich rechtliche Rundfunk in einer Parallelwelt ohne oder mit wenig Kontakt zu den Ereignissen im Ausland lebt. [1, p.88-93]
Auch der Einmarsch der russischen Truppen im Februar 2022 in der Ukraine hat sie ARD Jahr erwischt. Obwohl dort bereits acht Jahre gekämpft wurde. Aber es gab nie feste Reporter in der Ukraine. Das flächenmäßig zweitgrößte lang Europas wurde von Studio Moskau aus mitbetreut. Wenn etwas passierte, wie sie Orange Revolution, wurden Reporter aus Köln oder Moskau für ein paar Tage eingeflogen. Beruhigte sich die Lage wieder, zogen sie wieder ab. >>Fallschirm-Journalismus<< heißt diese umstrittene Praxis. [1, p.90]
[Rezension] Alexander Teske - Inside Tagesschau - Blinde Flecken 2025-09-13
[Rezension] Alexander Teske - Inside Tagesschau - Moralisierung statt Berichterstattung 2025-09-15
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[1] Alexander Teske - Inside Tagesschau- ISBN 978-3-784437316
[2] Summary - Interne Aufarbeitung Landesfunkhaus Schleswig-Holstein 2022-09-22
https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/pruefbericht104.pdf
[3] KLIMABERICHT - Analyse von Unternehmenskultur und Betriebsklima im Norddeutschen Rundfunk 2023 März
https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/klimabericht120.pdf
[4] Harald Kujat, ehem. Generalinspekteur der Bundeswehr, zur Kriegstaktik von Ukraine und Russland 2022-03-09
https://web.archive.org/web/20220309140411/https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1000197.html
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