[Innenpolitik] Geh Sterben - Weniger Meinungsfreiheit wagen mit der Amadeu Antonio Stiftung 2021-06-19

Offen ausgetragener Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind selbstverständlich zu verurteilen. Die Meinungsfreiheit als notwendige Voraussetzung für eine Demokratie muss jedoch weiterhin gewährt sein. In 2015 veröffentlichte die Amadeu Antonio Stiftung hierzu das Papier ">>Geh Sterben<< - Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet".
  1. Falschbehauptungen
  2. Mängel in der Erklärung
  3. Umdeutungen
  4. Handlungsempfehlungen
  5. Die Ethik von Zensur

Falschbehauptungen

Zwar sind nachweisbare bzw. nachprüfbare Aussagen in dem Papier selten. Die erste nachweisbare bzw. nachprüfbare Aussage die es gibt, ist jedoch bereits falsch. Schon im Vorwort behauptet der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dass der Anstieg von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte auf geistige Brandstiftung zurückzuführen ist.
Dass aus »geistiger Brandstiftung« viel zu oft Gewalt wird, zeigt der sprunghafte Anstieg von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte: Im Jahr 2014 hat sich die Zahl der Taten im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht.

Heiko Maas (SPD), damals Bundesjustizminister [1,p.5]
Tatsächlich wurden 2015 und 2016 in Summe 1.248 Brandereignisse in Flüchtlingsunterkünften erfasst. Davon entfallen nachweislich 24% auf Dritte und 46% auf die Bewohner, z.B. durch Fehler in der Bedienung von Küchengeräten, während der Rest nicht aufgeklärt wurde. Offen ist jedoch was sich hinter den nicht aufgeklärten Fällen verbirgt. [2] [3]

Mängel in der Erklärung

Im Papier wird offen eingestanden dass es umstritten bleibt was Hate Speech eigentlich ist. Des Weiteren würde es weder eine feste Definition noch ein Katalog an Wörtern für Hate Speech geben. Hate Speech sei ein politischer Begriff und hänge vom Kontext ab. [1,p.9-10] [1,p.13] Es wird sogar eingestanden dass man sich Hate Speech juristisch nicht eingrenzen kann und dass das deutsche Recht Hate Speech nicht beinhaltet. [1,p.33]

Anders als bei konkreten Straftatbeständen wird also kein gemeinsamer Nenner gefunden. Dies stellt die Frage wie etwas reguliert werden soll dass nicht klar definiert ist. Wenn etwas ohne klare Definition reguliert wird, dann ist die Regulierung unweigerlich der Gesinnung bzw. politischer Einordnung der Entscheider unterworfen. Und Urteile hängen von den politischen Machtverhältnissen ab.

Umdeutungen

Auffallend am Papier ist dass Hate Speech niemals klar definiert wird. Stattdessen bedient man sich diverser Umdeutungen. Zum Beispiel wird die Deutungshoheit exklusiv den erklärten Opfern und dessen subjektiver Wahrnehmung zugesprochen. [1,p.10-11] Die Amadeu Antonio Stiftung verlässt sich also bereits darauf dass es einen Wettbewerb gibt. Hierbei wird jedoch keine gesellschaftliche Debatte oder ein Wettbewerb der Ideen skizziert.
Als Grundlage einer Definition ist die Betroffenenperspektive besser geeignet als die Intention des Sprechenden. [1,p.10]
Rassismus wird in dem Papier der Amadeu Antonio Stiftung nach den Opfern anstatt der Dynamik unterschieden. [1,p.14] Hierbei offenbart sich die Doppelmoral der Opferhierarchie. Zukünftige negative Entwicklungen werden ausgeblendet bzw. nicht berücksichtigt.
Hate Speech funktioniert nur, wenn sie eine kollektiv verankerte Abwertung anspricht und in Einklang mit gesellschaftlicher Diskriminierung steht. Rassismus gegen Weiße zum Beispiel kann situativ stattfinden, hat jedoch keine gesellschaftliche Dimension. Entsprechend fallen abwertende Aussagen über Weiße (z.B. »Kartoffel«) nicht unter Hate Speech, da ihnen schlicht die gesellschaftlichen Konsequenzen fehlen. [1,p.14]
Des Weiteren wird grundsätzlich davon ausgegangen dass die Fälle einzig und alleine Absicht sind. [1,p.19] Fahrlässigkeit und sogar Missverständnisse werden ausgeschlossen und Absicht wird angenommen. Beweise für diese Organisation oder Planung werden jedoch nicht vorgelegt.
Es handelt sich eben nicht um randomisierte Vorkommnisse, sondern vielmehr um organisierte und geplante Aktionen. [1,p.19]

Handlungsempfehlungen

Im Umgang mit Hate Speech macht die AAS (Amadeu Antonio Stiftung) Empfehlungen was zu tun und was zu lassen ist. Vermeintlich falsche Beiträge sollen gelöscht werden da ein moderieren oder debattieren als nicht zielführend eingestuft wird. Journalisten sollen zusätzlich Haltung beweisen und sich über die Autoren der vermeintlich falschen Beiträge lustig machen. [1,p.22]

Auf der anderen Seite gibt es vereinzelt auch legitime Kritik, wenn z.B. die Autoren von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit als laute Minderheit eingestuft wird. [1,p.24] Außerdem wird das Veröffentlichen von private Daten, wie z.B. Wohnadressen, Fotos oder Kontodaten, verurteilt. [1,p.26]

Die Ethik von Zensur

Gegen gruppenbezogenen Menschenhass zu sein ist in erster Näherung richtig. Maßnahmen sollten dabei jedoch nicht potentielle Kritik und damit die Meinungsfreiheit beschränken. Meinungsfreiheit und Demokratie gehen Hand in Hand. Für den freien Wettbewerb der Ideen ist die Möglichkeit Informationen und Ideen kennen zu lernen und selbst gehört zu werden definitionsgemäß unerlässlich. Ausnahmen sind der Aufruf zu Straftaten und Aufrufe die geeignet sind den öffentlichen Frieden zu stören, zum Beispiel der fälschliche Warnung vor Feuer in überfüllten Räumen. Alles Andere wäre eine Gesinnungsdiktatur.

Eine Zensur von Hass bräuchte Menschen oder Regeln von Menschen die Hass von Kritik unterscheiden. In jedem Fall wäre es also an Menschen zu unterscheiden. Hass und Kritik haben jedoch eine gemeinsame Schnittmenge dessen Deutung von der eigenen Position abhängt. Außerdem ist an dann noch nicht geklärt ob die Aussage oder die Position des Adressaten fragwürdig oder illegitim ist. Eine Zensur wäre also wieder eine Projektion von Macht, auch wenn sie von Moral angetrieben wäre.

Dazu kommt dass eine Einschränkung der Meinungsfreiheit einen deradikalisierenden Dialog und die Sichtbarkeit illegaler Äußerungen bedroht. Dem Prädikat der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der Möglichkeit des freien Austausches wird man ohne Meinungsfreiheit nicht gerecht. Und die Regeln dieses Austausches bestimmt der Gesetzgeber. Hierfür schützen die meisten Staate die Meinungsfreiheit. Außerdem gibt es bereits Paragraphen in Strafgesetzen gegen die öffentliche Aufforderung zu Straftaten. [4]

[1] >>Geh Sterben<< - Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hatespeech.pdf
[2] Brandstatistik Flüchtlingsunterkünfte - Eine erste Bilanz - 2017-01-13
http://www.inuri.de/210-brandstatistik-fluechtlingsunterkuenfte-erste-bilanz.html
[3] Die meisten Flüchtlingsheime werden von Bewohnern angezündet. Oder nicht? | reporter - 2017-01-18
https://www.youtube.com/watch?v=2eXEZrPIXts
[4] Strafgesetzbuch Art 111
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__111.html/

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