[Innenpolitik] Schwedische Forscher: Demographische Alterung hilft gegen den Klimawandel 2019-07-24

von Patricia Derer, The Overpopulation Project

Wir überaltern und sterben aus: So oder ähnlich äußert sich die Furcht vor den Folgen des demographischen Wandels insbesondere in Deutschland, wo seit über vier Jahrzehnten jedes Jahr mehr Menschen sterben als geboren werden – weltweiter Rekord. Die Regierung versucht mit großzügiger Familienpolitik und liberalen Zuwanderungsregelungen entgegenzuwirken. Mit Erfolg: Heute leben so viele Menschen in Deutschland wie nie zuvor und die Geburtenrate liegt auf einem 40-Jahres-Hoch.

Schwedische Forscher der Universität Göteborg untersuchten nun die Folgen der demographischen Alterung für Wirtschaft und Umwelt und kommen zu ganz anderen Schlüssen: Wenn die Bevölkerung aufgrund niedriger Geburtenraten und einer steigenden Lebenserwartung altert und nicht mehr wächst oder sogar leicht schrumpft, sind die wirtschaftlichen Kosten insgesamt überschaubar, der ökologische Nutzen aber groß. Das legen die Ergebnisse des Forscherteams um den Biologieprofessor Frank Götmark nahe. Der Konsum natürlicher Ressourcen könnte sich stabilisieren oder sogar zurückgehen, die Bodenversiegelung – täglich werden in Deutschland Wiesen und andere Freiflächen in einer Größe von 100 Fußballfeldern neu betoniert – könnte gedrosselt werden, CO2-Emissionen können leichter verringert werden. All das sei notwendig, um den Klimawandel zu bekämpfen und das Artensterben in der Tierwelt zu stoppen.

Umgekehrt sind die wirtschaftlichen Nachteile einer alternden Bevölkerung weit geringer als oft befürchtet, so die schwedischen Forscher. Dass es im Zuge des demographischen Wandels zu einem Fachkräftemangel komme, sei beispielsweise keinesfalls bewiesen. Andere Faktoren als die Demographie spielten hierbei eine viel größere Rolle, und wie sich Digitalisierung und Globalisierung – sowie speziell in Deutschland auch die Transformation der Automobilindustrie – auf die zukünftige Nachfrage nach Arbeitskräften auswirkten, sei noch völlig offen. Unbestritten sei zwar, dass eine alternde Bevölkerung große Herausforderungen für das Rentensystem und die Pflege nach sich ziehe, aber das sei der unvermeidliche Preis einer immer höheren Lebenserwartung, und außerdem lägen hierfür sinnvolle und finanzierbare Konzepte zur Reform der Systeme bereit.

Nicht zielführend sei dagegen, mit einer pronatalistischen Politik oder durch die Erhöhung der Zuwanderung die Alterung der Gesellschaft bekämpfen zu wollen. Zum einen zeigten viele Studien, dass sich der demographische Wandel weder durch mehr Geburten noch durch mehr Migration aufhalten lasse. Stattdessen schaffe die steigende Bevölkerungszahl mehr Probleme als sie löse: Grassierende Wohnungsnot trotz Bauboom, dichtere Städte und drohender Verkehrskollaps, fehlende KiTa-Plätze und überfüllte Arztpraxen. Und der Kampf gegen den Klimawandel? Dessen Erfolgschancen werden immer geringer, so Götmark, denn Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum seien Studien zufolge die maßgeblichen Faktoren, die zur Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt und des Lebensraums für Tiere und Pflanzen führten.

Jedes Jahr wächst die Welt um die Einwohnerzahl Deutschlands. Zwar fallen in vielen Ländern die Geburtenraten, aber die Weltbevölkerung wird noch jahrzehntelang ansteigen – mit fatalen Folgen für die Umwelt und das Klima. In Deutschland und einigen anderen Staaten ist der demographische Wandel bereits so weit fortgeschritten, dass die Bevölkerung auf natürlichem Wege schrumpfen würde. Eine höhere Lebenserwartung, so Frank Götmark und sein Team, sei letzten Endes eine zivilisatorische Errungenschaft – die natürlich einige Herausforderungen nach sich ziehe, die aber zu bewältigen seien. Anstatt Altern und Schrumpfen mit zweifelhaften Maßnahmen zu bekämpfen, plädieren die Göteborger Forscher dafür, die ökologischen Vorteile des demographischen Wandels zu nutzen und den Kampf gegen den Klimawandel ernsthaft anzugehen.

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