[Kommentar] Claas Relotius ist keine Ausnahme

Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören. [1]
So lautet eine Arbeitsweise die dem deutschem Journalisten Hanns Joachim Friedrichs zugeschrieben wird. Ob er dessen Urheber ist und ob Friedrichs ihr immer gerecht geworden ist soll hier nicht das Thema sein. Die Idee aber ist unerlässlich, denn was die vermeintlich gute Sache ist kann sich ändern. Und dann wird schnell im Namen des Guten etwas Falsches gemacht. Jeder der noch eine kommunistischen oder sozialistischen Regierung erlebt hat oder Verwandte aus dieser Zeit hat kennt solche Geschichten.

Tatsächlich können Journalisten schwere Fehler begehen. Menschen können wissentlich oder unwissentlich Informationen so auszuwählen oder interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen bestätigen. Dieses Verhalten kann sich auch darin zeigen dass sich Menschen eher an Ereignisse erinnern, welche die eigenen Erwartungen bestätigen. Ein solches Verhalten wird auch Bestätigungsfehler oder confirmation bias genannt. Ein anderes Fehlverhalten ist dass missinterpretieren durch Auslassen. Dies ist kein direktes Lügen, sondern das wissentliche auslassen von Informationen , welche nicht die eigenen Erwartungen bestätigen. Ein solches Verhalten wird auch Lügen durch Auslassen oder lying by omission genannt.

Der Fall Relotius ist kein Einzelfall. [2] Tom Kummer täuschte das SZ Magazin im Jahre 2000 mit gefälschten Interviews. [3] Und im Jahre 2005 täuschte Kummer die Berliner Zeitung indem er eine Reportage einfach aus alten Artikeln zusammensetzte und sie als neu ausgab. [4] In 2011 musste der Spiegel-Redakteur Rene Pfister den Henri-Nannen-Preis zurückgeben. Pfister hat fälschlicherweise behauptet sich mit einem Politiker getroffen zu haben. [5] Und in 2012 behauptete Heribert Prantl ebenfalls fälschlicherweise sich mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle getroffen zu haben. [6]

Trotz solcher Probleme gibt es keinen Mangel an Preisen für Journalisten. In Deutschland gibt es mehrere Hundert Preise für Journalisten. Es gibt 69 Preise für Nachwuchsjournalismus, 29 für Politik und Recht, 14 zu Europa, 44 für Gesellschaft und Soziales und 30 für Wirtschaft und Finanzen. [7]

Relotius hat aber auch für das entsprechende Narrativ manipuliert. Seine Kollegen Anja Reschke und Georg Restle vom öffentlichen Rundfunk schlagen dies ebenfalls vor. Beide kritisieren das Neutralitätsgebot für Journalisten. Beide haben aufgefordert dass Journalismus werteorientiert sein soll und Haltung zeigen sollen. Restle gesteht ein dass Journalisten beim Auswählen und Aussortieren immer auch ihre eigene Einstellung einfließen lassen. Anstatt einer ausgewogener, kritischer und neutraler Berichterstattung plädiert er aber dafür dass Journalisten humanistisch sein sollen. Reschke malt direkt einen übergroßen Strohmann an die Wand. Nach ihr ist in Deutschland die Demokratie gefährdet und die politische Lage vergleichbar mit der Weimarer-Republik. Die Bedrohung stammt angeblich von Rechts. Belege liefert sie hierfür jedoch nicht. Beide wollen also das Neutralitätsgebot zu Gunsten einer vermeintlich guten Sache aufkündigen. [8] [9,S.44-45] [10] [11]

Wenn Journalisten sich aber nicht nach den Fakten sondern nach einer Haltung richten, dann schlägt sich diese auch in der Berichterstattung wieder. Es stellt sich also die Frage welche Einstellung die Journalisten haben. Nach einer Studie über die Ansichten und das Wahlverhalten von Journalisten in Deutschland wählt ein Viertel der Journalisten die Partei die Grünen. Und fast die Hälfte der Journalisten wählt demnach das Linke und Grüne Lager. Auf die konservative CDU/CSU und die wirtschaftsliberale FDP entfallen nur jeweils 9 und 7,4 Prozent. Linke und Grüne sind also überrepräsentiert während andere Parteien dramatisch unterrepräsentiert sind. [20,S.18]

Der Fall Relotius wirft ein grelles Licht auf die Methoden und Arroganz mancher Journalisten. Und wenn die Journalisten keine Konsequenzen ziehen, dann müssen es die Leser tun. Kritik an der Presse ist also nicht Wasser auf die Mühlen der Falschen. Wegen der Affäre Relotius ist es umso wichtiger zu sagen was ist. Denn wenn die Wahrheit zu sagen den vermeintlich Falschen nutzt, dann stimmt etwas mit den Richtigen nicht.

see also:
[Fake News] Claas Relotius und die deutsche Lügenpresse

[1] Cool bleiben, nicht kalt 1995-03-27
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9176410.html
[1] Der Spiegel 52 2018-12-22
http://www.spiegel.de/media/media-43950.pdf
[3] Als Tom Kummer die Welt zum Narren hielt 2010-10-25
http://www.focus.de/kultur/medien/media-box-als-tom-kummer-die-welt-zum-narren-hielt_aid_565446.html
[4] Der Fälscher der Wahrheit 2011-05-03
http://nachrichten.rp-online.de/kultur/der-faelscher-der-wahrheit-1.876648
[5] Jury erkennt "Spiegel"-Redakteur Nannen-Preis ab 2011-05-09
https://www.abendblatt.de/kultur-live/article106524732/Jury-erkennt-Spiegel-Redakteur-Nannen-Preis-ab.html
[6] SZ-Autor trickst bei Voßkuhle-Porträt 2012-07-30
http://www.fr.de/kultur/netz-tv-kritik-medien/medien/vorwurf-gegen-sueddeutsche-zeitung-sz-autor-trickst-bei-vosskuhle-portraet-a-830696
[7] Journalistenpreise
http://www.journalistenpreise.de/?id=preis
[8] Georg Restle 2018-07-03
https://twitter.com/georgrestle/status/1014133298245853184/photo/1
[9] print Juli/August 2018
http://print.wdr.de/2018-07_08/
[10] Anja Reschke: "Dagegen halten - Mund aufmachen" NDR 2015-08-05
https://youtu.be/i9kv-rmvGKg
[11] Haltung zeigen! - mit Anja Reschke 2018-12-27
https://www.srf.ch/play/tv/srfglobal/video/haltung-zeigen-mit-anja-reschke?id=7d4dc80c-8f00-4df6-9d9e-1de8056b0508&startTime=198.067514&station=dd0fa1ba-4ff6-4e1a-ab74-d7e49057d96f
https://www.srf.ch/sendungen/srfglobal/haltung-zeigen-mit-anja-reschke
[12] POLITIKJOURNALISTINNEN UND -JOURNALISTEN 2010-05
https://www.dfjv.de/documents/10180/178294/DFJV_Studie_Politikjournalistinnen_und_Journalisten.pdf

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