[Dossier] UN-Flüchtlingsabkommen

Stichwörter:
UN-Flüchtlingsabkommen , Migration

Am 17. Dezember 2018 wurde das UN-Flüchtlingsabkommen unterzeichnet. Damit sollen die Rechte von Flüchtlingen gestärkt und die Aufnahmeländer unterstützt werden. Die Gemengelage ist aber so umfangreich dass sich ein genauerer Blick auf den Inhalt und den Kontext lohnt.
  1. Inhalt
    1. Die Ziele
    2. Meinungsfreiheit und Zensur
    3. Neuansiedlungen
    4. Bleiberecht und Familienzusammenführungen
  2. Was Fehlt
    1. Fluchtursachen
    2. Unsichere Fluchtrouten
    3. Making Migration work for all
    4. Verbindlichkeit

Inhalt

Die Ziele

Das UN-Flüchtlingsabkommen ist in vier Kapitel mit insgesamt 107 Punkten unterteilt. Diese Punkte sind explizit als Ziele formuliert. Um die Ziele zu verwirklichen plant die UN zusätzlich alle vier Jahre ein Forum auf Ministerebene durchzuführen. [2]
  1. den Druck auf die Aufnahmeländer mindern
  2. die Eigenständigkeit der Flüchtlinge erhöhen
  3. den Zugang zu Drittstaatenlösungen erweitern
  4. in den Herkunftsländern Bedingungen für eine Rückkehr in Sicherheit und Würde fördern
Mit dem UN-Flüchtlingsabkommen sollen mindestens die Aufnahmeländer entlastet werden in denen sich derzeit besonders viele Flüchtlinge befinden. Gleichzeitig sollen Flüchtlingen der Zugang zu Bildung, Gesundheitsvorsorge und dem Arbeitsmarkt ermöglicht und erleichtert werden. Außerdem soll die Zusammenarbeit der Länder ausgeweitet werden um zum Beispiel Familienmitglieder zusammenzuführen. Des Weiteren sollen Flüchtlinge befähigt werden freiwillig zurückzukehren. Abschiebungen werden jedoch nicht erwähnt. [2]

Meinungsfreiheit und Zensur

Nach dem UN-Flüchtlingsabkommen sollen in den Aufnahmeländern das Verständnis der Bürger für Flüchtlinge verbessern. Um ein friedliches Zusammenleben zwischen Flüchtlingen und der Aufnahmegemeinschaften zu fördern sollen alle Formen der Diskriminierung bekämpft werden. Dies soll das Verständnis für die Notlage von Flüchtlingen verbessern.
Recognizing the importance of good relations between communities, pending the availability of durable solutions, programmes and projects will be designed in ways that combat all forms of discrimination and promote peaceful coexistence between refugee and host communities, in line with national policies. Specific programmes and projects will be supported to enhance understanding of the plight of refugees, including through technical cooperation and capacity development for local communities and personnel. Engagement of children, adolescents and youth will be fostered, including through sports and cultural activities, language learning, and education. In fostering respect and understanding, as well as combating discrimination, the power and positive impact of civil society, faith-based organizations, and the media, including social media, will be harnessed. [3,p.16]
Gegen Rassismus zu sein ist ja schön und gut. Wenn hierfür jedoch Migration unvoreingenommen begrüßt werden soll und alle Kritik als fremdenfeindlich oder sogar rassistisch ist, dann gibt es keine Meinungsfreiheit oder freie Berichterstattung mehr.

Neuansiedlungen

Als dauerhafte Lösung für Flüchtlinge werden im UN-Flüchtlingsabkommen verschiedene Lösungen vorgestellt. Genannt werden die freiwillige Repatriierung (Rückkehr in das Herkunftsland), die Neuansiedlung und die Integration vor Ort. Die Neuansiedlung von Flüchtlingen soll die Aufnahmeländer entlastet werden in denen sich derzeit besonders viele Flüchtlinge befinden. Hierfür will die UN zusätzlich das Repertoire an Staaten für Neuansiedlungen erweitern.
One of the primary objectives of the global compact (para 7) is to facilitate access to durable solutions, including by planning for solutions from the outset of refugee situations. Eliminating root causes is the most effective way to achieve solutions. In line with international law and the Charter of the United Nations, political and security cooperation, diplomacy, development and the promotion and protection of human rights are key to resolving protracted refugee situations and preventing new crises from emerging. At the same time, addressing the causes of refugee movements can take time. The programme of action therefore envisages a mix of solutions, adapted to the specific context and taking into account the absorption capacity, level of development and demographic situation of different countries. This includes the three traditional durable solutions of voluntary repatriation, resettlement and local integration, as well as other local solutions and complementary pathways for admission to third countries, which may provide additional opportunities. [3,p.16]
Vernachlässigt wird jedoch das Recht der Flüchtlinge und der Aufnahmeländer dass Flüchtlinge in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Die Ressourcen der Hauptaufnahmeländer werden in Summe nicht berücksichtigt. Wenn es in einem Aufnahmeland an Ressourcen mangelt soll das nächste einspringen.

Bleiberecht und Familienzusammenführungen

Im Rahmen der Neuansiedlung sollen aber auch komplementäre Aufnahmewege Teil der Dreijahresstrategie sein. Hierbei sollen die Staaten die Familienzusammenführung in den Aufnahmeländern fördern. Und es sollen Regionen in denen Flüchtlinge angesiedelt werden finanzielle gefördert werden.
The three-year strategy on resettlement (section 3.2 above) will also include complementary pathways for admission, with a view to increasing significantly their availability and predictability. Contributions will be sought from States, with the support of relevant stakeholders, to facilitate effective procedures and clear referral pathways for family reunification, or to establish private or community sponsorship programmes that are additional to regular resettlement, including community-based programmes promoted through the Global Refugee Sponsorship Initiative (GRSI). Other contributions in terms of complementary pathways could include humanitarian visas, humanitarian corridors and other humanitarian admission programmes; educational opportunities for refugees (including women and girls) through grant of scholarships and student visas, including through partnerships between governments and academic institutions; and labour mobility opportunities for refugees, including through the identification of refugees with skills that are needed in third countries. [3,p.19]
Es wird explizit gefordert dass Flüchtlinge ein dauerhaftes Bleiberecht oder einen Angebot für eine Einbürgerung erhalten. Um dies zu verwirklichen sollen gegebenenfalls regionale Rahmenwerke geschaffen werden.

[1] Global Compact on Refugees
https://refugeesmigrants.un.org/refugees-compact
[2] The Global Compact on Refugees
https://www.unhcr.org/the-global-compact-on-refugees.html
[3] Report of the United Nations High Commissioner for Refugees - Global Compact on Refugees
https://www.unhcr.org/gcr/GCR_English.pdf

Was Fehlt

Fluchtursachen

Nach dem UN-Flüchtlingsabkommen sollen alle Staaten und relevanten Interessenträger wie zum Beispiel UN-Organisationen, Rotes Kreuz, Finanzinstituten, regionale Organisationen, lokale Behörden, Zivilgesellschaft und Medien aufgefordert werden die Fluchtursachen zu bekämpfen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingsabkommen kommen das Klima, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen dazu. Diese seien zwar für sich genommen keine Ursachen für Fluchtbewegungen, stünden aber immer häufiger in Wechselwirkung mit den Triebkräften solcher Bevölkerungsbewegungen. Andere viel größere und vermeidbare Fluchtursachen bleiben jedoch unerwähnt. [3,p.2]

Zum Beispiel weitet die EU den Freihandel mit unterlegenen Volkswirtschaften aus. Das heißt dass Niedriglohn-Länder außerhalb der EU und Hochlohn-Ländern innerhalb der EU konkurrieren müssen und als Folge drohen die unterlegenen Wirtschaftszweige und Einkommensschichten ihren Marktanteil gegenüber Importen zu verlieren. [4] [5] [6] Die Mehrheit der Bevölkerung kennt diese Freihandelsabkommen nicht, auch weil wenig darüber berichtet wird. Und wenn sie diese kennen wie zum Beispiel das Abkommen TTIP dann lehnt die große Mehrheit das Abkommen ab und mehre Tausend Menschen haben sogar gegen TTIP demonstriert. [7] [8]

Dazu kommt dass die NATO-Mitgliedstaaten eine ganz schlechte Bilanz was die Wahrung des Völkerrechts angeht haben. Die Brutkastenlüge und dass seit 2003 Saddams Massenvernichtungswaffen immer noch vermisst werden sind keine Geheimnisse. Am 24. März 1999 bombardierten NATO Streitkräfte unter dem Deckmantel eine humanitäre Katastrophe verhindern zu wollen Ziele im ehemaligen Jugoslawiens und eskalierten damit den Krieg und nach Angaben der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) entstand erst deswegen die humanitäre Katastrophe im Kosovo. [9] Und in 2011 bombardierten NATO Streitkräfte unter dem Deckmantel eine humanitäre Katastrophe verhindern zu wollen Libyen und stürzten damit die Regierung von Muammar al-Gaddafi. In 2015 hat das britische Parlament festgestellt dass, die Einschätzung die zum Libyen-Krieg in 2011 geführt hat signifikant überbewertet war und dass die signifikanten islamistischen Elemente der Rebellen nicht wahrgenommen wurden. [10] [10,pdf] Die große Mehrheit der Deutschen lehnt jedoch auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. [11] [12] Und sogar Rüstungsexporte werden von etwa zwei Dritteln der Deutschen abgelehnt. [13]

Unsichere Fluchtrouten

Dazu kommt dass im UN-Flüchtlingsabkommen unsichere Fluchtrouten und gefährliche Anreize völlig weggelassen werden. Bestimmte Routen sind für Flüchtlinge gefährlich und die Anzahl derjenigen die dabei versterben ist proportional zur Anzahl der Flüchtlingen. Dass diese nicht im UN-Flüchtlingsabkommen sind stellt die guten Absichten infrage.

Italien wurde wegen der Lage am Mittelmeer und der Bereitschaft der vorigen Regierungen Schiffe mit Menschen aus Afrika aufzunehmen zu einem der Hauptziele der Migrationskrise seit 2015. In der Regierungszeit von Lega und MoVimento 5 Stelle wurde eine Politik der geschlossenen Grenzen verfolgt. Die Politik Italiens hat also wesentlichen Einfluss auf die gesamte Situation. Die Anzahl der über das Mittelmeer gekommenen Menschen ist von 172.301 in 2017 auf 113.482 in 2018 gefallen. Gleichzeitig fiel die Anzahl derjenigen die im Mittelmeer ertrunken sind oder vermisst wurden von 3.139 in 2017 auf 2.262 in 2018. [14] [15] [16]

Australien wurde ebenfalls wegen der isolierten Lage vor Suüdost-Asien zu einem der Ziel für viele Menschen in den Jahren 2011 mit 4.565, 2012 mit 17.204 und 2013 mit 20.587 angestiegen. In der Zwischenzeit hat die hiesige Regierung jedoch eine Politik der geschlossenen Grenzen (Operation Sovereign Borders) eingeführt. Die Politik Australiens hat also wesentlichen Einfluss auf die hiesige Situation. Die Anzahl der über den Seeweg gekommenen Menschen ist von 20.587 in 2013 auf 160 in 2014 gefallen. [17] [18] Gleichzeitig fiel die Anzahl derjenigen die vor Australien im Meer ertrunken sind oder vermisst wurden von 240 in 2013 auf 6 in 2014. In beiden Fällen hat eine Null-Toleranz Politik also zu weniger Toten geführt. [19] [19,archive]

Making Migration work for all

Auffallend ist dass das UN-Flüchtlingsabkommen mit seiner Logik der Verwertung dem Papier "Making Migration work for all" ähnelt. Im UN-Flüchtlingsabkommen wird gefordert dass Flüchtlingen der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht und erleichtert wird. [2] Außerdem soll die öffentliche Meinung in den Aufnahmeländern beeinflusst werden. Damit deckt sich die finale Fassung vom UN-Flüchtlingsabkommen mit dem Papier "Making Migration work for all". [3,p.16]
We must also show respect for communities that fear they are 'losing out' because of migration. While there is powerful evidence that migrants are of significant benefit to both their host countries and their countries of origin, we cannot be blind to citizens’ perceptions and concerns. Communities blighted by inequality and economic deprivation frequently blame migration for their troubles. While it is necessary to explain why such views are mistaken, it is essential to address the underlying vulnerabilities and fears of all citizens so that we can make migration work for all. [20,p.5]
Hiernach ist Migration gut fürs Geschäft. Wer Kritik übt irrt sich leider. Und Kritik soll als fremdenfeindlich oder sogar rassistisch umgedeutet werden.
We must sadly acknowledge that xenophobic political narratives about migration are all too widespread today. We must not allow these to distort our agenda. I applaud the New York Declaration adopted by the Member States, and in particular for addressing the issue in positive terms. Progress towards resolving real challenges associated with migration means, in part, dispelling alarmist misrepresentations of its effects. Political leaders must take responsibility for reframing national discourses on the issue, as well as for policy reforms. [20,p.4]

Verbindlichkeit

Nach offiziellen Angaben ist der UN-Flüchtlingsabkommen rechtlich nicht bindend. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat jedoch bereits beim UN-Migrationspakt das Gegenteil festgestellt. Und beide sind ohnehin formal gleich.

Das veröffentlichte Papier der UN ist ein Abkommen und es ist unmissverständlich dass der Plan verpflichten soll. Folglich ist dieses Abkommen politisch verpflichtend. Das heißt dass Personen sich auf ein solches Abkommen berufen und deren Inhalte einklagen können. [21]

[1] Global Compact on Refugees
https://refugeesmigrants.un.org/refugees-compact
[2] The Global Compact on Refugees
https://www.unhcr.org/the-global-compact-on-refugees.html
[3] Report of the United Nations High Commissioner for Refugees - Global Compact on Refugees
https://www.unhcr.org/gcr/GCR_English.pdf
[4] Freihandel EU-Afrika - Die Kunst des unfairen Deals 2017-01-17
http://www.taz.de/!5371866/
[5] EU-Freihandel mit Afrika: Unfairer Deal? 2017-01-11
https://www.dw.com/de/eu-freihandel-mit-afrika-unfairer-deal/a-37073640
[6] EU baut mit Mercosur-Staatenbund weltweit größte Freihandelszone auf 2019-06-28
https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5651889/EU-baut-mit-MercosurStaatenbund-weltweit-groesste-Freihandelszone-auf
[7] Große Mehrheit der Deutschen sieht TTIP kritisch 2016-05-04
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ttip-grosse-mehrheit-der-deutschen-sieht-freihandelsabkommen-kritisch-a-1090908.html
[8] 150.000 Demonstranten protestieren gegen TTIP 2015-10-10
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/grosskundgebung-in-berlin-150-000-demonstranten-protestieren-gegen-ttip-13848419.html
[9] "Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg - Es begann mit einer Lüge"
https://youtu.be/ZtkQYRlXMNU
[10] Libya: Examination of intervention and collapse and the UK's future policy options inquiry
https://www.parliament.uk/business/committees/committees-a-z/commons-select/foreign-affairs-committee/inquiries1/parliament-2015/libya-policy/
https://publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/119.pdf
[11] Mehrheit der Deutschen lehnt Auslandseinsätze ab 2014-12-28
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-12/umfrage-deutsche-ablehnung-internationale-bundeswehr-einsaetze
[12] Umfrage zu Auslandseinsätzen - Deutsche lehnen stärkeres Engagement in der Welt ab 2014-05-20
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/umfrage-deutsche-lehnen-auslandseinsaetze-der-bundeswehr-ab-a-970463.html
[13] Fast zwei Drittel der Deutschen wollen Stopp aller Rüstungsexporte 2018-05-29
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fast-zwei-drittel-der-deutschen-gegen-ruestungsexporte-15613393.html
[14] 94 Prozent weniger Migranten in Italien eingetroffen 2019-03-18
https://derstandard.at/2000099728659/94-Prozent-weniger-Migranten-in-Italien-eingetroffen?ref=article
[15] Italy rejects record number of asylum applications 2019-02-14
https://www.theguardian.com/world/2019/feb/14/italy-rejects-record-number-of-asylum-applications
[16] Migration: Weniger Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken 2019-01-03
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-01/migration-fluechtlinge-mittelmeer-gestorben-gesamtzahl-un-fluechtlingshilfswerk [17] Boat arrivals in Australia: a quick guide to the statistics 2014-01-23
https://www.aph.gov.au/About_Parliament/Parliamentary_Departments/Parliamentary_Library/pubs/rp/rp1314/QG/BoatArrivals
[18] Australiens Flüchtlingspolitik - Abschrecken, abschotten, abwälzen 2017-12-10
https://www.spiegel.de/politik/ausland/australien-warum-die-fluechtlingspoliti-kein-vorbild-fuer-europa-sein-kann-a-1181555.html
[19] Australian Border Deaths Database
http://artsonline.monash.edu.au/thebordercrossingobservatory/researchoutputs/australian-border-deaths-database/
https://web.archive.org/web/20180612144325/http://artsonline.monash.edu.au/thebordercrossingobservatory/researchoutputs/australian-border-deaths-database/
[20] Making Migration work for all
https://refugeesmigrants.un.org/sites/default/files/sg_report_en.pdf
[21] Rechtsgutachten zum Migrationspakt
https://www.bundestag.de/blob/557692/8d3c42d79eba902c13660271ba0a32f4/wd-2-052-18-pdf-data.pdf