[Wirtschaft] Halbzeit für Argentinien unter Milei - Rezession, Deindustrialisierung, Arbeitslosigkeit und Armut
[Economics] Halftime for Argentina under Milei - Recession, De-Industrialization, Unemployment and Poverty
Javier Milei (La Libertad Avanza/LLA) ist seit dem 10. Dezember 2023 Präsident Argentiniens und ist ungefähr bei der Hälfte seiner Amtszeit. Als Präsident und vermeintlicher Revoluzzer erfreut sich Milei (LLA) zunehmender Beliebtheit. Anstatt vollmundiger Reden von ihm sollte die bisherige Entwicklung Argentiniens hierbei jedoch als Bewertungsgrundlage dienen. Nach etwa zwei Jahren Regierungszeit, aktuellen Zahlen und mehreren Maßnahmen von Milei (LLA) ist jedoch ersichtlich dass seine Politik massiven Schaden an der Volkswirtschaft angerichtet hat und der einzige Erfolg in Form einer geringeren Inflationsrate nur unter großen Opfern erreicht wurde.
Rezession und Deindustrialisierung
Mit dem BIP als prominenteste wesentliche Kennzahl und gemäß den aktuellen Zahlen ist die argentinische Volkswirtschaft 2024 geschrumpft. In seinem ersten vollen Amtsjahr 2024 verzeichnete das BIP damit ein reales Wachstum von -1,98. Dies liefert bereits einen Vorgeschmack darauf wie wenig erreicht und wie viel Schaden angerichtet wurde.
[1]Dazu kommt dass die industrielle Produktion (Halbzeug, Maschinen und Anlagen) seit dem Amtsantritt von Milei (LLA) regelrecht eingebrochen ist. Dieser Einbruch ist vergleichbar mit der im Jahr 2020 während der der Pandemie, obwohl die aktuelle Deindustrialisierung mit geringerem Höchstwert aber länger ist. Dieser Rückgang ist besonders verheerend da Arbeitsproduktivität im wesentlichen in der industriellen Produktion steigt. Das zukünftige Wirtschaftswachstum schrumpft folglich um die Arbeitsproduktivität in der nicht mehr vorhandenen industriellen Produktion.
[2]Ähnlich wie für Deutschland ranken sich auch um die argentinische Außenhandelsbilanz Mythen und Irrtümer. So wird der aktuelle Außenhandelsüberschuss gerne gelobt und Milei (LLA) zugeschrieben. Rückblickend bis mindestens 2020, also deutlich vor und ohne Milei (LLA), hatte Argentinien ohnehin üblicherweise ein Außenhandelsüberschuss. Und selbst wenn Argentinien versuchen würde sich mit Exportüberschüssen Wachstum durch Nachfrage aus dem Ausland zu erreichen, dann wäre dies ein hoffnungslos langsames Unterfangen bei einer Exportquote von lediglich 10,3% in 2023 und 12,6% in 2024.
[3] [4] [5]Bekämpfung der Inflation auf Kosten der eigenen Bevölkerung
Genauso wie es mittlerweile Konsens ist, wird auch von Argentinien erwartet dass der Staat spart und am besten mehr einnimmt als er ausgibt. Der Erwartung dass dies zu Wirtschaftswachstum führt stehen Logik und Empirie entgegen. Den wenn weder der Sektor Private Haushalte noch Unternehmen in einer Volkswirtschaft Nachfrage generieren kann, dann kann nur noch der Sektor Staat Nachfrage generieren. In einem System in dem sich sonst nichts ändert führt jedes sparen zu einer Verringerung der Nachfrage. Wie oben beschrieben kann der Sektor Außland/Leistungsbilanz nicht mit dieser Lücke an Nachfrage mithalten. Und wenn sich bei schlechter Konjunktur der Sektor Unternehmen nicht verschuldet/investiert, dann kann und sollte der Sektor Staat sich verschulden/investieren um die fehlende Nachfrage zu generieren.
2020 also während der Pandemie markiert den Tiefpunkt für das argentinische BIP. Und tatsächlich war das Haushaltsdefizit von 8.5% in 2020 gefolgt von einer Umkehr des BIP von schrumpfen zu wachsen. Infolgedessen kam es zu einer Erholung der argentinischen Volkswirtschaft. Seit 2021 liegt das Haushaltsdefizit jedoch bei ca. 3%. Und so wie dem hohen Haushaltsdefizit eine Erholung vom BIP folgte, folgt dem niedrigen Haushaltsdefizit ein stagnierendes BIP.
[6]Milei (LLA) wird gerne zugeschrieben die Inflation bekämpft zu haben. Im Monat seines Amtsantritts ist die Inflationsrate auf 211,4% gestiegen. Und in der Zeit darauf ist die Inflationsrate zusätzlich auf bis zu 292,2% in April 2024 gestiegen. Es ist naheliegend dass es sich hierbei um einen Preisschock infolge der schlechten wirtschaftlichen Lage handelt. Wenn Produktion zusammenbricht und damit das Angebot verringert, dann ist anzunehmen dass Preise steigen. Da industrielle Produkte nicht in einem Vakuum existieren sondern abhängig von anderen industrielle Produkten und der Nachfrage aus der Bevölkerung sind, hat die verspätete Verringerung der Nachfrage wiederum zu einer Verlangsamung der Inflationsrate gesorgt. Die Regierung von Argentinien hat die Inflation also mit Armut und Rezession bekämpft.
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Dazu kommt dass Milei (LLA) mit seiner Politik insgesamt eine Verringerung der Nachfrage forciert.
Einerseits hat erhöht die Regierung Milei (LLA) die Renten unterhalb der Inflationsrate was an den massiven Protesten der Rentner im Land erkennbar ist.
Diese Verringerung der Einkommen der Rentner führt unweigerlich zu einer Verringerung der Nachfrage und ist sicherlich für die langfristig geringere Inflationsrate mitverantwortlich.
Fast überall aber besonders im libertären Spektrum wird seit 2024 gerne die Verringerung der Immobilienpreise, infolge der Beendigung von Preiskontrollen am Immobilienmarkt, gelobt.
Dies hat unweigerlich zu einer langfristig geringeren Inflationsrate beigetragen.
Es ist jedoch absurd zu glauben dass am Immobilienmarkt innerhalb von weniger als einem Jahr massiv neue Immobilien enstanden sind.
Es ist dagegen logisch anzunehmen dass, die schlechtere wirtschaftliche Lage und geringere Nachfrage zu Insolvenzen sowie Wohnungskündigungen und infolgedessen zu einem Überangebot durch Leerstand geführt hat.
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Als wäre es nicht genug, derart gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung zu agieren, verfolgt die Regierung Milei (LLA) nun auch den sogenannten "Ankeranstz (Achor-Approach)" gegen eine hohe Inflationsrate. Hierzu kauft Argentinien mit Devisen die eigene Währung also dem argentinischen Peso um dessen Wechselkurs zu erhöhen. Dann werden in Argentinien Importe günstiger und stehen verstärkt in Konkurrenz zu einheimischen Gütern. Außerdem werden Exporte aus Argentinien teurer und stehen verstärkt in Konkurrenz zu Gütern aus anderen Ländern. Auf diese Weise kann man Unternehmen unter Preisdruck und infolgedessen Erwerbstätige unter Lohndruck setzen. Wie lange die argentinische Volkswirtschaft diesen Druck standhält und wann die Inflationsrate als gering genug gesehen werden ist offen. Wahrscheinlich sind mehr Insolvenzen, Arbeitslosigkeit und Armut. Möglich ist dass die Ausdauer der argentinische Volkswirtschaft geringer ist als der Wille der Regierung Milei (LLA) die Inflationsrate zu verringern. [13] [14]
Die Vorraussetzung für diesen "Ankeranstz (Achor-Approach)" ist ein Kredit in Fremdwährung des in Lateinamerika besonders unbeliebten internationalen Währungsfonds (IWF/International Monetary Fund) über 20 Mrd. US Dollar. Und als Voraussetzung für den IWF Kredit sollte Argentinien Kapitalverkehrskontrollen abschaffen. Dies passiert aber während Argentinien weiterhin einen hohen Leitzins von aktuell 29% hat. Damit werden die Voraussetzungen für Carry-Trade geschaffen. [13] [14] [15]
Hierbei leiht man sich Geld in einer Währung mit geringen Zinsen und legt dies dann in einer Wahrung mit hohen Zinsen an, um die Differenz zu erhalten. Carry-Trader können Gewinn machen, solange die Zinsdifferenz größer ist als die Abwertung der Währung. International spricht man vorher oft von Emerging-Markets, da ja Geld in das Hochzins-Land fließt. Dann verwechselt man aber Investitionen mit Spekulation. Dazu kommt das durch Carry-Trade der Wechselkurs der Währung vom Hochzins-Land nach oben getrieben wird, da die Nachfrage nach dieser Währung gewachsen ist. Es gibt folglich keinen Marktmechanismus der Carry-Trade und dessen fatale Folgen unterbindet.
Mehr Arbeitslosigkeit und mehr Armut
Wirtschafts- und Finanzpolitik sollte aber weder möglichst schöne Kennzahlen noch die Interessen von Unternehmen zum Ziel haben sondern der Wohlstand der Bevölkerung mehren. Doch das Ergebnis dieser Politik für die Bevölkerung von Argentinien darf als Katastrophe bezeichnet werden. So ist die Arbeitslosenrate vor dem Amtsantritt von Milei (LLA) gesunken und danach sprunghaft angestiegen.
[16]Dazu kommt dass die Quote der von Armut betroffenen mit Milei (LLA) dramatisch gestiegen ist. Stand 2024 sind also nicht nur 42,5% von Armut betroffen. Seit Amtsantritt ist der Anteil von Armut betroffenen um 34% angestiegen. Alleine diese Entwicklung ist einmalig im beobachteten Zeitraum und zeigt die exemplarisch die Zerstörungskraft von Milei (LLA).
[17]Die Alternative
Argentinien ist aber nicht verloren oder ein hoffnungsloser Fall.
Aber statt auf Kosten der eigenen Bevölkerung und Volkswirtschaft zu handeln, sollte die argentinische Regierung Preiskontrollen einführen um die Lohn-Preis-Spirale zu druchbrechen, um die Inflationsrate zu verringern.
Den in Argentinien handelt es sich nicht um eine durch knappe Ressourcen oder Vollbeschäftigung verursachte Inflation.
Die hier bereits beschrittenen Wege sollten aufgrund der schlechten Ergebnise verworfen werden.
Die Kapitalverkehrskontrollen sollten unverzüglich wieder eingeführt werden.
Wenn sich Carry-Trade etabliert, dann wird dies wahrscheinlich als Emerging-Market fehlinterpretiert werden und eine Finanzkrise in Argentinien wird zunehmend unausweichlich.
Des Weiteren sollte Argentinien unbedingt einen Staatsfonds gründen um die holländische Krankheit zu vermeiden.
Hierbei werden Einnahmen des Staates aus dem Export von Rohstoffen unverzüglich im Ausland investiert oder in Wertpapieren angelegt.
Als Folge wird die Nachfrage nach der eigenen Währung also dem argentinischen Peso verringert oder bei höheren Export von Rohstoffen weniger erhöht.
Hiermit kann eine unverträgliche Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit der argentinischen Volkswirtschaft verhindert werden.
Kein Staatsfonds führt dazu dass höhere Exporte von Rohstoffe die Nachfrage nach der eigenen Währung also dem argentinischen Peso unverträglich erhöht wird.
Dies führt dazu dass Exporte unverhältnismäßig teurer werden und an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und dass Importe unverhältnismäßig günstig werden und an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.
Im Ergebnis fallen die Exporte und Importe verdrängen die Binnenwirtschaft.
[1] Argentina GDP
https://tradingeconomics.com/argentina/gdp
[2] Argentina Industrial Production
https://tradingeconomics.com/argentina/industrial-production
[3] Argentinien - Handelsbilanz
https://de.tradingeconomics.com/argentina/balance-of-trade
[4] Argentina Exports
https://tradingeconomics.com/argentina/exports
[5] Argentina Imports
https://tradingeconomics.com/argentina/imports
[6] Argentina Government Budget
https://tradingeconomics.com/argentina/government-budget
[7] Argentina Inflation Rate
https://tradingeconomics.com/argentina/inflation-cpi
[8] Mindestens 20 Verletzte - Proteste gegen zu geringe Renten in Argentinien eskalieren 2025-03-13
https://www.n-tv.de/panorama/Proteste-gegen-zu-geringe-Renten-in-Argentinien-eskalieren-article25626473.html
[9] Pensioners on the frontline of Argentina's fiery politics 2025-08-21
https://www.france24.com/en/live-news/20250821-pensioners-on-the-frontline-of-argentina-s-fiery-politics
[10] Apartment rents are down and supply is up 170% in Buenos Aires since Argentina scrapped all rental regulations 2024-09-24
https://www.businessinsider.com/rents-apartment-supply-argentina-price-controls-buenos-aires-2024-9?op=1
[11] Javier Milei Ended Rent Control. Now the Argentine Real Estate Market Is Coming Back to Life. 2025-02-19
https://www.cato.org/commentary/javier-milei-ended-rent-control-now-argentine-real-estate-market-coming-back-life
[12] Rents Fall and Listings Increase After Javier Milei Ends Rent Control In Argentina 2024-09-26
https://reason.com/2024/09/26/rents-fall-and-listings-increase-after-javier-milei-ends-rent-control-in-argentina/
[13] Argentina’s Lower House Approves Milei IMF deal 2025-03-21
https://eurasiabusinessnews.com/2025/03/21/argentinas-lower-house-approves-milei-imf-deal/
[14] Argentina secures IMF loan and ends most capital controls in key milestones for President Milei 2025-04-12
https://www.pbs.org/newshour/world/argentina-secures-imf-loan-and-ends-most-capital-controls-in-key-milestones-for-president-milei
[15] Argentina interest rate
https://de.tradingeconomics.com/argentina/interest-rate
[16] Argentina Unemployment Rate
https://tradingeconomics.com/argentina/unemployment-rate
[17] Percentage of urban households under the poverty line in Argentina from 1st half 2018 to 1st half 2024
https://www.statista.com/statistics/1176116/poverty-rate-households-argentina/
Wenn man sich die Exportstruktur Argentiniens anschaut, dann hat der Agrarsektor und dessen direkten Derivate (Lebensmittelindustrie) mit insgesamt etwa 45% den allergrößten Anteil daran.
AntwortenLöschenDiese Produkte werden weltweit zu einheitlichen Weltmarktpreisen in US-Dollar verkauft und sie sind vom Preis des Pesos völlig unabhängig.
Mir scheinen deshalb sowohl die Gesamtbeurteilung als auch die Empfehlungen auf nicht allzu großer Kompetenz zu beruhen.
Nicht als Info Quelle verwenden! Sehr wertender Bericht und Zahlen werden interpretiert um die eigene Meinung zu bekräftigen, nicht um sachlich zu analysieren. Obwohl der Bericht im August 2025 veröffentlicht wird, wird von einem wirtschaftseinbruch von -2% berichtet 2024 aber ausgelassen dass es dieses Jahr voraussichtlich 5.5% plus sind, weil das nicht ins weltbild passt.
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