[Innenpolitik] Die nächste Stufe der Selbstauflösung von Links - Tod durch Widersprüche 2019-03-27

  1. Die Presse
  2. Migration
  3. EU
  4. Identitätspolitik
Das linke Spektrum ist besonders in Deutschland breit aufgestellt und vielfältig. Während man sich am einen Ende des Spektrums auf die Interessen der Arbeiterschicht konzentriert, findet man am anderen Ende des Spektrums Identitätspolitik und sogenannten Kosmopoliten. Dies birgt jedoch die Gefahr dass sich die Flügel gegenseitig widersprechen und auch ohne Zutun von außen gegenseitig aufreiben.

Im September 2018 startete die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag Sahra Wagenknecht (Die Linke) die parteiübergreifende Bewegung "Aufstehen". Damit sollten wieder die Interessen der Arbeiterschicht und die soziale Frage wieder in den Fokus rücken. Im März 2019 hat Wagenknecht (Die Linke) angekündigt sich von der Spitze der Bewegung "Aufstehen" zurückzuziehen und nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Damit hat dieser Flügel mindestens einen schwereren Rückschlag erlitten. Während die Linkspartei bei der Bundestagswahl in 2017 noch 9,2 % erhielt fiel die Linkspartei nach der Ankündigung auf 7 % ab. [1]

Wagenknecht (Die Linke) begründet ihren Rückzug damit sich ausgebrannt zu fühlen. Die Linkspartei adressiert sie damit dass man sich entweder an das akademisch geprägte großstädtische Milieus oder an die abstiegsbedrohte Mittelschicht und die Ärmeren richten kann. [2] [3] [4] Mehrere bekannte Initiatoren, Mitgründer und Aktivisten der Bewegung "Aufstehen" haben nach eigenen Angaben erst aus der Presse vom Rückzug von Wagenknecht (Die Linke) erfahren. Sie beklagen dass die Bewegung "Aufstehen" die unterschiedlichen Kräfte nicht versammelt sondern gespalten hat. [5] Dieser Widerspruch ist zum einen der bisherige Höhepunkt des linken Lagers in Deutschland. Zum anderen wirft er aber auch ein Schlaglicht auf ein großes und wachsendes Problem des linken Lagers in Deutschland. % This contradiction is on the one hand the high point of the left camp in Germany so far. On the other hand, he also casts a spotlight on a big and growing problem of the left-wing camp in Germany.

Die Presse

Viele Linke sind mittlerweile in den Institutionen und auch in der Presse angekommen. Und die Presselandschaft in Deutschland wird oft als Teil der linksliberalen Oberklasse und regierungstreu bezeichnet. Dieses Bild bestätigte auch die Universität Mainz mit einer Umfrage. Hiernach stieg der Anteil derjenigen die Angaben dass die gesellschaftlichen Zustände anders seien als von den Medien dargestellt von 36 % in 2017 auf 42 % in 2018. Der Anteil derjenigen die Angaben dass die Medien den Kontakt zu den Menschen verloren habe von 18 % in 2017 auf 27 % in 2018. Und Menschen welche die Medien pauschal verurteilen werden von der Universität Mainz als Menschen beschrieben die eine hohe wirtschaftliche Zukunftsangst haben und auch zur Linkspartei tendieren. [6]

Auch inhaltlich bestätigt die Presse in Deutschland das Bild der linksliberalen Oberklasse und regierungstreuen Berichterstattung. Unterstützt wird was die Agenda des Spektrums der Identitätspolitik und der sogenannten Kosmopoliten bestätigt. Eine Linke kann entweder eingestehen dass ihr Narrativ von der Presse bedient wird. Oder eine Linke aus dem Spektrum dass die Interessen der Arbeiterschicht und die soziale Frage wieder in den Fokus rücken will unterscheidet sich bewusst von dieser Presse ab und kritisiert diese. Siehe auch:
[Fake News] Ein Leitfaden zur deutschen Presse

Ein Fall aus dem Januar 2019 zeigt jedoch die Widersprüche in der Bewegung "Aufstehen". Im Januar zum Beispiel wurde in einer Gruppe der Bewegung ein Beitrag auf geteilt in dem öffentlich-rechtliche Medien als Regierungsrundfunk bezeichnet wurden. Der Beitrag wurde auch von der Presse aufgegriffen und skandalisiert. Und in einem Interview mit Andreas Nölke vom Arbeitsausschusses der Bewegung beteuerte Nölke dass dies ein Fehler war und nicht noch mal vorkommen sollte. [7] [8] [9]

Migration

Migration führt dazu dass mehr Menschen in Konkurrenz um begrenzte Ressourcen wie zum Beispiel Arbeitsplätze, Wohnraum und Sozialhilfe treten. Hierbei sinkt der Gleichgewichtspreis für Arbeit, Wohnraum wird knapper und damit teurer und die Kosten für Sozialhilfe steigen. Unternehmen profitieren also von geringeren Löhnen, können lukrative Aufträge für die Versorgung erhalten und Arbeitgeberverbände können die Stimmung durch Migration nutzen um Sozialhilfe kürzen zu lassen und so den impliziten Mindestlohn abzusenken.

Die Linkspartei widerspricht sie jedoch selbst. Während Wagenknecht (Die Linke) eine solche Migrationspolitik ablehnt, verlangt ihre Partei eine Politik der offenen Grenzen. Damit ist diese Linke nicht mehr für die Arbeiterschicht sondern nur noch für sich selbst da. Siehe auch:
[Kommentar] Die Linke sucht ein Ersatzproletariat

Und wenn von links kein Widerstand zu einer solchen Politik kommt, dann verlieren Linke ihre Wählerschaft an einwanderungskritische Parteien. In diesem Kontext muss man auch den Mythos des portugiesischen Wunders einer erfolgreichen linken Regierung betrachtet werden. Portugal hat nämlich nicht die Formel gegen alle Parteien entdeckt die irgendwie gegen Einwanderung sind. Schweden und Portugal haben jeweils eine Bevölkerung von etwa 10 Millionen Menschen. Doch während infolge der Flüchtlingskrise von 2015 zwar über 200.000 Menschen nach Schweden eingereist sind waren es weniger als 5.000 in Portugal. Portugal bietet mangels Einwanderung also einfach kein Potential für Parteien die irgendwie gegen Einwanderung sind. [10] [11] [12]

EU

Bezüglich zur EU müsste eine Linke die Kritik im Interesse der Arbeiterschicht besetzen. Sie könnte die stark angebotsorientierte Wirtschaftspolitik kritisieren. Sie könnte die große Freihandelszone und den daraus resultierenden Lohndruck von Hochlohnländern mit Niedriglohnländern innerhalb der EU kritisieren. Eine Linke könnte eine Politik Infragestellen durch die mehrere Staaten mit eigener Wirtschaft in eine Wirtschaft mit mehreren in die Konkurrenz getriebenen Standorte verwandelt wurde. Siehe auch:
Euro Währung

Stattdessen hat sich die Linkspartei jedoch ein Parteiprogramm verabschiedet dass explizit pro-EU ist. Hiernach funktioniert die EU zwar nicht mehr, ein Austritt ist aber keine Option. Die Linke wirft hierbei auch oft den neuen Rechten vor dass sie sich mit der abgefunden haben. Nachweislich tut dies jedoch die Linke was sie den neuen Rechten vorwerfen. Außerdem will man lieber einen EU-Nationalstaat als einzelne Nationalstaaten also EU-Nationalismus gegen Nationalismus. Mit diesem vagen Internationalismus spielt die Linke der ökonomischen Globalisierung in die Hände. [13]

Identitätspolitik

Ein weiterer Widerspruch zwischen dem Spektrum dass sich auf die Interessen der Arbeiterschicht konzentriert und dem Spektrum der sogenannten Kosmopoliten ist die Identitätspolitik. Hier widersprechen sich beide Spektren ob Menschen in Gruppen einsortiert und als solche behandelt werden sollten und durch spezifische bevorteilt oder benachteilt werden sollten . Oder ob alle Menschen vor dem Gesetz gleich sein sollten.
Die linken Parteien versuchen eine Politik zu betreiben, für die es keine Wähler mehr gibt. War vor 30 Jahren die Arbeiterschaft männlich, weiß und heterosexuell, so ist sie heute extrem divers geworden.
...
Von einem gemeinsamen Klassenbewusstsein kann unter Arbeitern schon lange nicht mehr gesprochen werden.

Yannick Haan (SPD) []
Da kein Flügel verschwinden wird, entscheidet die Debatte im wesentlichen die Verteilung der Ressourcen welche diese Spektren erhalten. In vielen Fällen wie zum Beispiel der Migrationspolitik widersprechen sich beide sogar. [14] [15]
Von der identitätspolitischen Seite wird gesagt, dass die beiden Merkmale "Gender" und "Race" zentral wären für alle Formen von emanzipatorischer Politik. Der dritte Aspekt, die "Klasse", sei zu vernachlässigen, da sich dahinter in Wirklichkeit nur die Dominanz des weißen, heterosexuellen, patriarchalischen Arbeiters verberge. Das heißt, die Klassenfrage wird auch zu einer identitätspolitischen Frage gemacht.
Also Klasse ist nicht mehr ökonomisch begründet, nicht mehr aufgrund von Arbeits- und Ausbeutungsverhältnissen, sondern wird auch auf Geschlecht, Hautfarbe und patriarchale Denkmuster reduziert. Damit hat der identitätspolitische Flügel die Diskurshoheit über die Dreiheit der Diskriminierung übernommen. Denn diese Trias besteht aus der ethnischen Diskriminierung, der sexuellen Diskriminierung und der Diskriminierung durch Ausbeutung und Entfremdung. Aber wenn alle drei Dinge nur identitätspolitisch gedacht werden, dann sind Ausbeutung und Entfremdung sozusagen unter die Räder gekommen.

Bernd Stegemann (Vorstand Aufstehen) []
Die linke Identitätspolitik wird auch immer als Antrieb und Vorgänger von rechter Politik gesehen. Die Ansicht dass Menschen mit gleichen Eigenschaften als Kollektiv agieren oder bewertet werden können schafft entweder den Widerstand dagegen oder den Anspruch darauf mit umgekehrten Vorzeichen. Dies dient auch gelegentlich als Erklärung für die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Und China gegenüber wird immer wieder die Verdrängung der hiesigen Bevölkerung und dessen Kultur von Minderheiten vorgeworfen. Früher tat man dies hauptsächlich bezüglich Tibet doch mittlerweile auch bezüglich der Uiguren in Xinjiang. Vor diesem Hintergrund wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, wann rechte Identitätspolitik für sich diese Behandlung fordert. [16] [16,alt] [17] [18]

[1] RTL/n-tv Trendbarometer - Linke verlieren, FDP legt zu 2019-03-16
https://www.n-tv.de/politik/Linke-verlieren-FDP-legt-zu-article20911317.html
[2] Die Linke - Wagenknecht gibt Linken-Fraktionsvorsitz ab 2019-03-11
https://www.sueddeutsche.de/politik/wagenknecht-linke-fraktionsvorsitz-1.4363602
[3] Sammlungsbewegung - Wagenknecht verlässt "Aufstehen"-Spitze 2019-03-17
https://www.tagesschau.de/inland/wagenknecht-201.html
[4] Nach dem Abgang Wagenknechts - „Aufstehen“ gibt auf 2019-03-15
http://www.taz.de/Nach-dem-Abgang-Wagenknechts/!5580846/
[5] Erklärung zur Situation von Aufstehen
https://aktionscampus.de/
[6] Forschungsergebnisse der Welle 2018
https://medienvertrauen.uni-mainz.de/forschungsergebnisse-der-welle-2018/
[7] Aufstehen: Weniger Leistung, höhere Gebühren? Im Jahr 2017 zahlten die Bürger bereits 8 Milliarden Euro für #GEZ #Rundfunkgebühren. Dafür dass CDU, CSU und SPD ihre politische Linie ausstrahlen können. Vielfalt sieht anders aus. Bürgermedien statt Regierungsrundfunk! 2019-01-05
https://twitter.com/aufstehen_de/status/1081534302226210817
[8] Wieder Ärger in der Linken - Wagenknechts Sammlungsbewegung poltert gegen "Regierungsrundfunk" 2019-01-07
https://www.tagesspiegel.de/politik/wieder-aerger-in-der-linken-wagenknechts-sammlungsbewegung-poltert-gegen-regierungsrundfunk/23835026.html
[9] Sammlungsbewegung: "Wir waren ein bisschen naiv" 2019-01-30
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-01/sammlungsbewegung-aufstehen-sahra-wagenknecht-andreas-noelke-interview/komplettansicht
[10] Population statistics 2018-12-07 https://www.scb.se/en/finding-statistics/statistics-by-subject-area/population/population-composition/population-statistics/
[11] Portugal https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/portugal-node/portugal/210890
[12] Asylum and first time asylum applicants by citizenship, age and sex Annual aggregated data (rounded) https://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-datasets/-/MIGR_ASYAPPCTZA
[13] Wahlprogramm zur Europawahl 2019
https://www.die-linke.de/fileadmin/Wahlen_2018/Europawahlprogrammentwurf_online.pdf
[14] Vergesst endlich die Arbeiter 2019-02-01
https://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article188071121/Gastkommentar-Vergesst-endlich-die-Arbeiter.html
[15] "Der Klassenbegriff ist planmäßig zerstört worden" 2019-03-14
https://www.heise.de/tp/features/Der-Klassenbegriff-ist-planmaessig-zerstoert-worden-4336430.html?seite=all
[16] Deutscher Bundestag: Drucksache 13/4445 vom 1996-04-23
https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/13/044/1304445.asc
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/044/1304445.pdf
[17] European Parliament Motion on Tibet (1992) [p.298]
http://www.tibetjustice.org/materials/ep/ep5.html
[18] Weltweiter Hilferuf - „Kultureller Genozid“ an Uiguren befürchtet 2019-03-14
https://orf.at/stories/3115032/

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