[Review] Heiner Flassbeck - Fundamentals of Relevant Economics - The Misconceptions Heiner Flassbeck ist ein Ökonom aus Deutschland. Der am 12. Dezember 1950 geborene Ökonom war unter anderem von 1998 bis 1999 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium unter Oskar Lafontaine (SPD). Und von Januar 2003 bis Ende 2012 war er Chef-Volkswirt (Chief of Macroeconomics and Development) bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development/UNCTAD). Flassbeck veröffentlicht unter anderem auf Makroskop und Relevante Ökonomik auf deutsch und auf Flassbeck Economic in Englisch.
Das Buch "Grundlagen einer relevanten Ökonomik" wurde zusammen mit den Koautoren Friederike Spiecker, Patrick Kaczmarczyk und Alexander Mosca Spatz verfasst. Das Buch ist in der Art eindeutig Fachliteratur aber kein reines Lehrbuch. Zwar werden auf dem Niveau von Fachartikeln Zusammenhänge detailliert thematisiert aber es werden keine absoluten Grundlagen vermittelt. Die Qualität der Herleitungen ist sehr hochwertig, da mit Empirie und Logik anstatt im luftleeren Raum argumentiert wird. Damit hebt sich der Autor trotz des Themas stark von jeder Ideologie ab. Zusätzliche Bedeutung gewinnt das Buch durch die aktuelle Rezession.
Der Arbeitsmarkt ist kein Kartoffelmarkt
Flassbeck erklärt warum das Versprechen geringerer Arbeitslosigkeit bei geringeren Löhnen nicht eingehalten werden kann. Sowohl infolge der großen Depression ab 1929 als auch infolge der Weltfinanzkrise ab 2007 wurde versucht Arbeitslosigkeit durch eine Senkung der Löhne zu bekämpfen. Die Annahme hierbei ist dass der Arbeitsmarkt ein klassischer Markt ist und die Nachfrage nach Arbeit mit dem Preis für Arbeit geregelt werden kann. Durch Senkung der Löhne also dem Preis für Arbeit soll die Nachfrage nach Arbeit erhöht und die Arbeitslosigkeit verringert werden.Flassbeck erklärt jedoch dass Lohnsenkungen eine Nachfragelücke nicht kompensieren können, da die Löhne die Voraussetzung für Nachfrage sind. Dazu kommt dass ohne eine Steigerung der Nachfrage keine Neueinstellungen von Arbeitnehmern erfolgen. Flassbeck beweist dies mit den Entwicklungen infolge der großen Depression ab 1929 in den USA und Deutschland sowie den Entwicklungen infolge der Weltfinanzkrise ab 2007 in Griechenland und Spanien. In all diesen Fällen haben Lohnsenkungen für einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen Einbruch des privaten Verbrauchs geführt. Außerdem erklärt Flassbeck wie Lohnsenkungen die Ungleichheit erhöhen, da die Ausgabequote der Einkommen umgekehrt propportional zu den Einkommen ist. Folglich sinkt bei Lohnsenkungen unmittelbar die Nachfrage der Personen mit dem geringsten Einkommen bzw. der höchsten Ausgabequote. [1, p.15-30]
Die Bedeutung vom Bretton Woods System und Keynesianismus
Gerade in Deutschland hält sich der Glaube daran dass das Wirtschaftswunder nach dem zweiten Weltkrieg ein rein deutsches Phänomen ist und Ludwig Erhard (CDU) verdanken ist. Flassbeck wiederlegt diese Annahmen jedoch und beweist dass das Wirtschaftswunder ein internationales Phänomen war auf das Bretton Woods System und den Keynesianismus zurückzuführen ist. Mit dem Keynesianismus wurde eine Nachfragepolitik verfolgt die für hohes Wirtschaftswachstum und niedrige Arbeitslosigkeit durch eine Auslastung der Wirtschaft sorgte. Mit keynesianischer Nachfragepolitik ist im wesentlichen der Ausgleich fehlender privatwirtschaftlicher Nachfrage durch staatliche Nachfrage gemeint. Zusätzlich wurden durch geregelte Wechselkurse ausgeglichene Außenhandelsbilanzen geschaffen und expansive Konjunkturpolitik verblieb unweigerlich im entsprechenden Land bzw. Volkswirtschaft. Folglich sind geregelte Währungskurse eine Vorraussetzung für Nachfragepolitik bzw. expansive Fiskalpolitik. Flassbeck beweist dies mit den Wachstumsraten, Arbeitslosenquoten und Inflationsraten der USA, Großbritanien, Japan, Deutschland, Italien und Frankreich seit 1950. Hierbei ist auch ersichtlich dass Wachstumsraten und Arbeitslosenquoten bis zum Ende der geregelte Währungskurse unter dem Bretton Woods System in Japan besser waren als in den anderen Ländern und Deutschland sich nicht maßgeblich besser entwickelt hat als Italien oder Frankreich. [1, p.30-42]Da die geregelte Währungskurse unter dem Bretton Woods System in 1973 aufgehoben wurden, hätten die Währungskurse durch den Handel mit und Spekulationen auf Währungen geregelt werden müssen. Flassbeck zeigt jedoch dass dies nicht funktionierte und es zu wachsenden Außenhandelsungleichgewichten kam. Interventionen wie das Plaza Abkommen vom September 1985 waren folglich notwendig, um schlimmere Konsequenzen zu vermeiden. [1, p.55]
Flassbeck erklärt zusätzlich die Notwendigkeit stetiger und rechtzeitiger Interventionen, da Spekulanten zu späte und folglich zu starke Interventionen ausnutzen. Als 1992 ersichtlich war das die Währungen der Länder Italien, Frankreich und Großbritannien abwerten müssen nutzte der Spekulant George Soros dies aus. Soros tat dies indem er sich in einer voraussichtlich abwertenden Währung verschuldete und das Geld dann in einer nicht abwertenden Währung brachte. [1, p.61-66]
Fehlerhafte Diagnosen verursachen ökonomische Schäden und haben Keynesianismus sabotiert
In 1973 wurden die geregelten Wechselkurse aus dem Bretton Woods System beendet. Die Wechselkurse der Währungen der Länder wurden damit nicht mehr an dessen Außenhandelsungleichgewichte gebunden. Und die Ölkrise von 1973 war ein Angebotsschock da der Preis für Öl sprungartig gestiegen ist. Staaten welche diese Rohstoffe importieren können naturgemäß wenig gegen steigende Preise hierfür tun. Die Kombination aus aus dem Ende der geregelten Wechselkurse aus dem Bretton Woods System und dem Ölpreisschock von 1973 wird jedoch seit damals umgedeutet. In der öffentlichen Debatte herrscht nun das Narrativ dass Nachfragepolitik und gesamtwirtschaftliche Steuerung des Staates nicht funktionieren. Tatsächlich hat der Ölpreisschock Kaufkraft global umverteilt von Öl importierenden zu Öl expoertierenden Ländern. Und wenn die Öl expoertierenden Länder in den Öl importierenden Länder die Nachfrage ersetzt hätten, hätte es Global keine Wirtschaftskrise gegeben. Dies ist jedoch nicht passiert. Dazu kommt das diverse Zentralbanken infolge der Ölpreisschocks von 1973 und 1979 mit höheren Leitzinsen reagiert haben. Dies ist ein Ergebnis davon das einerseits ein kurzfristiger Preisschock mit einer langfristigen Inflation verwechselt wurde und da Zentralbanken weiterhin versuchen Inflation mit dem Leitzins zu kontrollieren. Ein solches Verhalten ist jedoch zwecklos gegen einen Preisschock, da höhere Leitzinsen importierte Rohstoffe nicht günstiger machen können. Und zusätzlich sabotieren höhere Leitzinsen eine Volkswirtschaft bei einen Preisschock durch eine zusätzliche Belastung. [1, p.42-55]Diese falsche und kontraproduktive Politik wurde infolge des Angebotsschocks und Preisschocks von 2021 bis 2024 wiederholt. Flassbeck weißt auch hier daraufhin dass die fehlerhafte Diagnose wiederholt zu einer fehlerhaften Reaktion geführt hat. [1, p.85-89]
Angebotspolitik wurde und wird überbewertet
Nach Flassbeck wurde die Nachfragepolitik bis 1973 im Rückblick genauso unterbewertet wie die Angebotspolitik überbewertet wird. Außerdem datiert Flassbeck den Siegeszug der Angebotspolitik auf das Ende des zweiten Ölpreisschocks von 1979. Angebotspolitik meint im wesentlichen Steuersenkungen, Liberalisierungen und oft auch über das Volumen der Steuersenkungen hinausgehende Verringerungen der Staatsausgaben. Die Unterbewertung der Nachfragepolitik bis 1973 passierte weil die beiden Ölpreisschocks zu einem versagen der Nachfragepolitik umgedeutet wurde und wird. Und die Erholung nachdem die beiden Ölpreisschocks überwunden waren wurde zu einer Überbewertung der Angebotspolitik seit den 1980ern umgedeutet. Bei näherer Betrachtung sind die Außenhandelsbilanzen von größerer Bedeutung. So hat sich zum Beispiel Deutschland schon in den 1980ern zunehmend auf Exporte konzentriert hat und höhere Außenhandelsüberschüsse also Exportüberschuss erwirtschaftet als zuvor. Dagegen stehen Länder wie zum Beispiel die USA die seit den 1980ern ein Außenhandelsdefizit also Importüberschuss haben. Dazu kommt dass die USA seit den 1980ern zunehmende statt sinkende Staatsdefizite haben und folglich die Staatsverschuldung als Anteil vom BIP gestiegen und nicht gesunken ist. Ohne ein Ende der geregelten Wechselkurse aus dem Bretton Woods System wäre dies aber nicht möglich geworden. [1, p.55-59][5, ZCPIN] [5, OVGD] [5, UBLGE] Dazu kommt zum einen dass die USA als das vermeintliche Heimatland der Angebotspolitik sich der Austeritätspolitik konsequent verweigert. Und zum anderen erreichen eben die USA mit dieser quasi Fortführung der Nachfragepolitik ein konsequent höheres Wirtschaftswachstum als zum Beispiel die EWU (Europäische Wirtschafts- und Währungsunion) bzw. die EU (Europäische Union). Flassbeck stellt hierbei fest dass die USA infolge dieser expansiven Fiskalpolitik eben keine höheren Inflationsraten hatten. Staatsausgaben und Staatsschulden haben also nicht dazu geführt dass die Inflationsrate in den USA höher waren. [1, p.77-83] [1, p.90-100]
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[1] Heiner Flassbeck - Grundlagen einer relevanten Ökonomik - ISBN 978-3-86489-414-5
[2] Makroskop
https://makroskop.eu/
[3] Relevante Ökonomik
https://www.relevante-oekonomik.com/
[4] Flassbeck Economics
https://www.flassbeck-economics.com/
[5] AMECO - annual macroeconomic database / jährliche makroökonomische Datenbank
https://economy-finance.ec.europa.eu/economic-research-and-databases/economic-databases/ameco-database_en
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